Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
hatte da eindeutig den besseren Job. Ganz in weiß, in
maßgeschneiderter Uniform elegant bei wolkenlosem Himmel über das
Promenadendeck eines Kreuzfahrtschiffs zu flanieren ist natürlich auch was
anderes, als mit einem Keilkissen unterm Hintern unfrisiert in einem
überladenen Reisebus durch den Wilden Westen zu juckeln. Zudem serviere ich
weder Champagner noch schnulzige Komplimente. Ich bin das Böse in den Augen der
Touristen. Ich repräsentiere ein Unternehmen, das ihnen für ihre schönsten
Wochen im Jahr viel zu viel Geld für viel zu wenig Leistung aus der Tasche
geluchst hat. Ich bin der, zu dem sie hundert Mal am Tag sagen:
„Ich will ja
nicht meckern, aber...!“
Und wenn sie
damit fertig sind, erwarten sie eine Bestätigung.
„Ist doch so,
oder?“, bohren sie nach.
Ich bin
derjenige, der ihnen vierzehn Tage lang sagt, wann sie morgens aufzustehen haben
und was sie am Mittag zu essen bekommen. Ich bestimme, wo Fotostopps gemacht
werden und wo nicht. Ja, ich bin sogar der, der ihnen vorschreibt, wann und wo
sie auf die Toilette gehen dürfen. Dafür hassen sie mich. Nicht alle und auch
nicht die ganze Zeit, aber Reiseleiter sein ist wie Hochseilakrobatik. Bei
geglückter Kür tragen sie einen auf Händen. Ein falscher Tritt jedoch, und es
ist vorbei. Nur ein einziges schmutziges Wüstenklo und es heißt:
„Der kriegt
kein Trinkgeld!“
Und in diesen
Mann soll sich eine Frau verlieben? Die Romantik von langen Abenden, die der
Reiseleiter mit seinen Gästen am Lagerfeuer in der Wildnis verbringt und am
Ende die alleinreisende großbusige Blondine auf einem Felsvorsprung vernascht,
ist bestenfalls ein Klischee. Die Realität sieht da leider ein wenig anders
aus. Nach langen Fahrtstrecken erreichen wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit
unsere Hotels, die sich nicht selten in abgelegenen Stadtrandgebieten befinden.
Rechts und links steht je ein Fastfood-Laden und mit etwas Glück gibt’s
gegenüber noch ein Chinarestaurant, in dessen Speisetheke sich ein paar fettige
Pekingenten in süß-sauer Soße rekeln. Amerikanische Vorstadtidylle, die bei den
meisten Reisenden auf Ablehnung stößt.
„Auch das ist
Teil der USA“, erkläre ich dann meinen Gästen. „Nicht nur Sonne, Meer und
Golden Gate.“
Selbstverständlich
wäre auch mir ein Strand mit Lagerfeuer lieber, aber die Chefs von Geiers
Geldreisen möchten gern, dass die Urlauber auch das „echte“ Amerika mal kennen
lernen. Die Wahrheit ist: Die schicken und zentral gelegenen Hotels sind ganz
einfach zu teuer. Und so übernachten wir eben an der Autobahnauffahrt. Die
alleinreisende großbusige Blondine existiert leider auch nur auf dem
Traumschiff. Meist sind es Paare mittleren Alters, die ihren Urlaub im Reisebus
verbringen. Ausnahmen sind dabei Witwen und alleinstehende Chefsekretärinnen.
Und so ist das Reiseleiterdasein auch nicht sonderlich aufregend, was die
Auswahl an Damen für potenzielle Liebeleien angeht. Außerdem wäre es auf einer
vierzehn Tage dauernden Rundreise gar nicht so einfach einen One-Night-Stand
ohne Folgen zu haben, da man sich spätestens um acht Uhr früh zur Abfahrt im
Bus wieder sieht. Nein, nein, das lassen wir lieber, ist meine Devise.
Schwierigkeiten habe ich auch so schon genug.
Manchmal
allerdings ist der gute Vorsatz von Seiten des Reiseleiters kein Garant für ein
problemloses Miteinander zwischen ihm und seinen weiblichen Gästen.
Ausgerechnet auf einer der ersten Rundreisen die ich begleitete, sollte ich in
den Strudel eines Beziehungsdramas à la Denver Clan geraten. Die Tour begann
zunächst sehr harmonisch. Es gab keine größeren Auseinandersetzungen mit den
Reiseteilnehmern, das Wetter war fantastisch und ich war gut drauf. Lediglich
Peter und Susi Zander aus Duisburg hatten so ihre kleinen Eheproblemchen, die
sie vor der Gruppe immer wieder lauthals diskutierten.
„Sollen sie
sich doch fetzen“, dachte ich. „Ist nur schade um den teuren Urlaub.“
Nach etwa
einer Woche drohten die Streitereien zwischen den Zanders zu eskalieren.
Ausgerechnet im Monument Valley, dem heiligen Tal der Navajo Indianer, keiften
sie sich vor versammelter Mannschaft derart an, dass selbst die Indianer
Reißaus nahmen und ich die zwei Zankhähne zur Ruhe mahnen musste. Am selben
Abend sah ich Susi Zander, die an sich eine sehr sympathische Erscheinung war,
allein im Hotelrestaurant sitzen. Sie wirkte sehr einsam und ich beschloss, ihr
meine Gesellschaft anzubieten. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie
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