Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
fuhr
jedoch mit meinen Erläuterungen fort.
„Der Gestalter
dieses Werks heißt Jean Dubuffet und stammt, wie der Name schon andeutet, aus
Frankreich. Er ist nur einer von dreizehn Künstlern, die sich hier permanent
präsentieren dürfen.“
Statt es bei
den Fakten zu belassen, hatte ich nichts Besseres zu tun, als auch noch meinen
eigenen Kommentar hinzu zu fügen.
„Man könnte
allerdings meinen, der gute Mann hat eine oder zwei Flaschen Rotwein bei der
Arbeit getrunken. Offensichtlich ist die zerlumpte Lady wohl im Brunnen
ersoffen. Oder kann jemand von Ihnen die gute Frau zwischen den Betonbrocken
erkennen?“
Meine Gäste
lachten amüsiert.
„Wie dem auch
sei. Künstler eben! Jedes Kind muss schließlich einen Namen haben,“ bemerkte
ich abschießend mit einer Prise unangebrachter Arroganz. „Wir gehen weiter nach
rechts, bitte!“
Kaum hatte ich
mich zur Seite gedreht und ein paar Schritte nach vorn gemacht, drohte mir die
Ohnmacht. Kalter Schweiß trat mir auf die Stirn. Nur wenige Meter vor mir
befand sich eine überlebensgroße, gewaltige Metallskulptur. Auf der nicht
gerade dezenten Bronzeplakette davor stand in Großbuchstaben: La Chiffonniere.
Man hätte die blecherne Dame aber auch durchaus ohne Beschreibung als die zerlumpte
Lady identifizieren können, so offensichtlich war die Formgebung. Ich spürte
den kalten Hauch des Reiseleiter-Todes im Nacken. Das Unglaubliche war
geschehen! Ich befand mich im ultimativen Alptraum und in weniger als fünf
Sekunden würden die ersten Gäste die zerlumpte Lady samt Aufschrift bemerken.
„Lieber Gott,“
betete ich, „bitte lass mich in ein schwarzes Loch fallen! Diese Schande kann
ich nicht ertragen!“
Doch der liebe
Gott hatte kein Mitleid. Ich sah ihn förmlich vor mir, wie er sich auf Wolke 7 vor
Lachen auf die Schenkel schlug. Ich stellte mich direkt vor die Bronzeplakette
der Skulptur und deutete mit ausgestrecktem Arm auf den Reisebus, der an der
Straßenecke auf uns wartete. Stumm zogen die offensichtlich verwirrten Gäste
einer nach dem anderen an mir vorbei und schauten dabei auf die zerlumpte Lady.
Erstaunlicherweise gab es bis zum Ende der Reise keine einzige Bemerkung aus
dem Kreise der Opfer dieses Vorfalls. An dieser Stelle möchte ich mich bei
allen Gästen bedanken, die aus Taktgefühl und Barmherzigkeit an jenem Abend
darauf verzichten, mich vor versammelter Mannschaft bloß zu stellen. Bei dem
Brunnen, den ich so unverzeihlich als „La Chiffoniere“ betitelt hatte, handelt
es sich übrigens um ein Kunstwerk von Armand Vaillancourt aus dem Jahre 1971.
Es trägt den Namen Québec libre , wie ich einen Tag später von Annemarie
erfahren sollte.
12 Von San Francisco
an die Central Coast - Die
Sache mit der Leopardenfrau
Liegt
San Francisco erst einmal hinter uns, ist der Saft bei so einer vierzehntägigen
Bustour so langsam raus. Die Fahrt neigt sich ihrem Ende zu und die Gäste
stellen fest, dass Laufen und Cable Car-Fahren eben doch spannender sind, als
stundenlang eingezwängt im Reisebus zu sitzen. Der Reiseleiter hat dann Mühe,
die Leute bei Laune zu halten. Die sind gedanklich bereits wieder in Frankfurt,
Leipzig oder in Bad Zwischenahn, bestenfalls aber bei der Planung ihrer
Heimreise. Auf dem Weg nach Süden werden wir oft von grauen Wolken und dichtem
Nebel belästigt. Das hebt die Stimmung auch nicht gerade. Meint es die
Wetterfee gut mit uns, fahren wir ein Stück die Küste entlang auf dem berühmten
Highway 1, der als eine der schönsten Straßen der Welt gilt. Am späten
Vormittag erreichen wir Monterey, einen alten Fischerort und Schauplatz des Romans
„Straße der Ölsardinen“ von John Steinbeck. Vor der Küste tummeln sich Wale und
Delfine, denen man bei speziell dafür veranstalteten Bootstouren mit etwas
Glück sehr nahe kommt. Neben den Meeressäugern tummeln sich in Monterey aber
auch allerhand Reisebusse. Ganz zur Freude der Souvenirladenbesitzer trudeln
hier schon um zehn Uhr in der Früh die ersten zwanzig Busse ein.
Hauptattraktion ist die Cannery Row, die eigentliche Straße der Ölsardinen.
Rechts und links der Hauptpromenade sieht man alte Konservenfabriken. Sie sind
längst stillgelegt, denn Sardinen gibt es in der Gegend schon seit Jahrzehnten
nicht mehr. Bei den Fischen muss sich wohl irgendwann herumgesprochen haben,
dass ein Besuch in diesem Ort der Gesundheit nicht gut tut. Dabei ist die Halbinsel
von Monterey ein wirklich schönes Fleckchen Erde. Leider fehlt mir das nötige
Kleingeld,
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