Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
meine Gedanken gelesen, beugte sich ChaCha in meine
Richtung und sagte leise:
„Keine Angst.
Ich bin nicht auf der Suche nach einem Mann. Ich bin nur froh, mal andere
Tapeten zu sehen. Mein Ollie war sehr krank. Ich habe ihn zwei Jahre gepflegt
und bin kaum aus dem Haus gekommen.“
Hinter der
Raubtierfassade verbarg sich also ein sanfter Engel.
„Ich kann dir
gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, hier zu sein.“
ChaCha hob die
Arme und drehte sich einmal um die eigene Achse. Eine Geste, die sie im
Verlaufe der Reise noch oft wiederholte. Die Leopardenfrau wurde im Nu zum Star
der Tour. Gäbe es eine TV Serie mit dem Titel „Deutschland sucht den
Supertouri“, hätte sie den ersten Platz belegt. Selten bin ich einem Menschen
begegnet, der sich so lebenslustig, großzügig und so offenherzig zeigte wie
diese Dame. Ihre Fähigkeit, die Gemüter der Mitreisenden aufzuhellen, war
einfach Gold wert. ChaCha konnte mir nur der Himmel für diese Rundreise
geschickt haben. Der Trip war nämlich, gelinde ausgedrückt, die Tour des
Grauens. Vom ersten Tag an lief alles nur Erdenkliche schief.
Sicher gibt es
auf jeder Tour Herausforderungen und auch jeder Reiseleiter hat mal einen
schlechten Tag. Das ist völlig normal. Vielleicht sind die Hotelzimmer nicht
gereinigt, der Bus kommt zu spät oder ein Gast bricht sich die Knochen. Aber
ich hatte mit dieser Reise kurz vor Saisonende fraglos den Schwarzen Peter
gezogen. Schon in Los Angeles fing es mit den Problemen an. Während der ersten
Nacht wurden illegale Motorradrennen auf dem Boulevard vorm Hotel gefahren.
Nicht nur röhrten die Maschinen, auch die Polizeisirenen sorgten für elenden
Lärm. Am Frühstückstisch hagelte es dementsprechend von allen Seiten Beschwerden.
Die Stadtrundfahrt am Vormittag war ein Fiasko, da wir stundenlang im dichten
Verkehr steckten. Auch die zweite Nacht brachte nur wenig Schlaf. Um kurz nach
Mitternacht ging der Feueralarm los und das Hotel wurde evakuiert. Natürlich
trug ich keine Schuld an diesen Vorfällen, aber als Reiseleiter ist man nun mal
Blitzableiter und muss sich in jedem Fall die Klagen der Gäste anhören. Die
dritte Nacht war zur Abwechslung einmal ruhig. Allerdings schloss das
Hotelrestaurant aufgrund von Renovierungsarbeiten und es gab kein Frühstück.
Nicht einmal eine Tasse Kaffee. Für einen Deutschen ist das keine gute
Voraussetzung für einen erfolgreichen Urlaubstag. Die Nacht darauf verbrachten
wir in einem Hotel in Flagstaff, Arizona. Gegen die Unterkunft an sich war überhaupt
nichts einzuwenden, nur verliefen unmittelbar nebendran die Bahngleise. Im
Viertelstundentakt fuhren die ganze Nacht Güterzüge an uns vorbei und machten:
„Tuuuuuut. Tuuutuuurt.“ Das Tuten war so laut, es bereitete mir physischen
Schmerz. An Schlaf war natürlich überhaupt nicht zu denken. Folter ist wohl das
beste Wort, die Situation zu beschreiben. Meine größte Sorge galt aber unserem
Fahrer, der ja täglich viele Stunden konzentriert hinterm Steuer verbringen
musste, während die Passagiere schon mal eindösen durften. Aber Larry hatte ein
dickes Fell. Die nächtlichen Episoden zogen spurlos an ihm vorüber und sein
Humor ging Hand in Hand mit ChaChas guter Laune.
„Wie machst Du
das nur?“, fragte ich ihn am Morgen. „Wie kannst Du bei diesem Lärm schlafen?“
„Hmm. Lass
mich mal überlegen.“ Er hob die Schultern. „Ich mache einfach die Augen zu und
bin weg“, erwiderte er trocken.
In der fünften
Nacht feierte eine Horde Betrunkener auf dem Hotelflur, in der Sechsten weckten
mich zwei Gäste, weil sie einen toten Skorpion in ihrem Bett gefunden hatten.
So ging es Nacht für Nacht weiter. Nach zehn Tagen war ich am Ende meiner
Reserven und litt unter akutem Schlafmangel. Das galt auch für den Großteil
meiner Gruppe. Gerade als ich dachte, es könnte nicht mehr schlimmer werden,
erhielt ich die Nachricht, dass unser Stadthotel in San Francisco überbucht
sei. Ich bekam von meiner Agentur die Anweisung, für die erste Nacht in ein
Hotel am Internationalen Flughafen auszuweichen. Wie sag ich ’s meinem
Kinde? Ich gab mir nicht einmal mehr Mühe, die Situation zu verschönern,
sondern leitete die Information ganz pragmatisch an meine Gäste weiter.
Erstaunlicherweise blieb die Gruppe relativ ruhig und meuterte kaum. Der Grund
für die Überbuchung war eine Massenveranstaltung in San Francisco, die sich Fleet
Week nennt. Unmengen von Kriegsschiffen drehen in der Bucht ihre
Ehrenrunden und am Himmel kann man
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