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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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schießen. Auftritte, die von einem »taubstummen Drillingstrio« begleitet werden, »das sein Repertoire auswendig spielt. Wie man das macht, so taub und stumm, ohne zu hören und ohne zu sprechen? Ganz einfach: Die Drillinge sind miteinander verwandt, sie kamen am selben Tag auf die Welt, sie kennen sich wirklich von Anbeginn (…), sie kennen einer des anderen Herzschlag, einer des anderen stumme Stimme. Sie kennen sich in- und auswendig, wie später ihre Musik, die sie im reinen Anschaun erlernt haben. Sie spielen, indem sie sich unverwandt wieder und wieder gegenseitig auf die Finger schaun. Aber auch das ist fast überflüssig, weil sie, wären sie auch noch blind gewesen, seit frühster Kindheit den Fingersatz kennen, den Rhythmus, die ihnen gemeinsame Zeit. (…)« (An dieser Stelle sei erwähnt, dass Felicitas bereits in ihrem ersten Eugener Winter damit begonnen hatte, die Gebärdensprache zu erlernen, die Herman übrigens perfekt beherrschte, weshalb er während seiner Vortragsabende gelegentlich mit großem Enthusiasmus »stumme Balladen« vortrug.)
    Man ist fast geneigt, Hoppes Leben in Eugene/ OR , abgesehen von kleinen provinziellen Turbulenzen und universitären Eifersüchteleien, als idyllisch zu bezeichnen. Es scheint, als habe Felicitas ihren Platz gefunden, als fühle sie sich kurzfristig zu Hause. Von einer literarischen Produktion jenseits der sportlichen Beiträge für HHH s Salon kann kaum die Rede sein. Auch von
Buch K
ist nicht mehr die Rede, in anderen Worten: Felicitas hat die Suche nach ihrem Vater immerhin vorläufig zu den Akten gelegt, jedenfalls deutet nichts darauf hin, dass Karl in den späteren achtziger Jahren ein Thema von besonderem Gewicht gewesen sei. Und, weitaus bemerkenswerter: Hoppe hat aufgehört, Briefe zu schreiben.
    Das dürfte nicht zuletzt dem Leben im
Blauen Haus
geschuldet sein. Man darf davon ausgehen, dass Hoppe und Haman, der zwei Jahre älter als Karl war, eine Art ideale Wohngemeinschaft bildeten. Er bewohnte den unteren, Felicitas ein Zimmer im oberen Teil des Hauses. Das Zimmer des jeweils anderen war tabu, die Diskretion zwischen Felicitas und Herman vollkommen, sein Arbeitszimmer hat sie vermutlich niemals von innen gesehen. Da beide überaus beschäftigt waren, sahen sie sich so gut wie nie, gemeinsame Mahlzeiten gab es nicht, einzig an Wochenenden frühstückten sie gelegentlich in Felicitas’ Lieblingsdiner
Miramare
, wo Felicitas, auch wenn sie später immer wieder von sich behauptete, »alles, bloß kein Gewohnheitsmensch« zu sein, immer dasselbe aß, ihr ungefochtenes Lieblingsessen: Steak and eggs (Steak und Eier).
    Ansonsten kommunizieren Hoppe und Haman fast ausschließlich über kleine Zettel, die sie einander auf dem Küchentisch hinterlassen: »Wird spät heute: Konferenz.«, »Milch und Toastbrot!«, »Chorkonzert um 7 p.m.«, »Du weißt doch, dass ich Chormusik nicht ertrage!«, »Heute Tennis?« »Nein. Prüfung!«, »Bin erst wieder Sonntag zurück.«, »Vergiss nicht zu tanken!«, »Wo ist das Wörterbuch?«, »Hab’ keine Ahnung.« Hin und wieder ergänzt Herman die Zettel mit den praktischen Hinweisen durch Zettel mit Lieblingssprichwörtern und Redensarten: »Häng den Mantel nicht nach dem Wind!«, »Schütt nicht wieder das Kind mit dem Bad aus!«, »Lass die Kirche im Dorf!«, »Trag kein Holz in den Wald!«. Und mit jenem Sprichwort, dass Felicitas noch Jahre später auf einem Zettel mit Hermans scharf gestochener Handschrift zusammengefaltet in ihrem Reisepass mit sich herumtragen sollte: »Die Reise ist noch nicht zu End, wenn man Kirch und Turm erkennt.«
    Es dürfte weniger das Studium der deutschsprachigen Literatur gewesen sein, das Felicitas ohnehin nur einigermaßen halbherzig betrieb (sie zog das Unterrichten der wissenschaftlichen Forschungsarbeit bei weitem vor), als vielmehr der Austausch mit Herman, seine Zettelwirtschaft und die gemeinsame Arbeit an der
Eselsbrücke
, die Felicitas’ deutschen Wortschatz innerhalb kürzester Zeit auf eine zwar einseitige, aber doch prägende Weise bereichert hat. Ihre späteren Kritiker, die von der »Haman-Schule« selbstverständlich nichts wussten, haben ihr ihren ausgeprägten Hang zum Sprichwort, zur Sentenz und zum »hinterwäldlerischen Aphorismus« (Strat) nie ganz verziehen. Was den Hinterwald betrifft, liegen sie richtig: Hans Herman Haman liebte Holzfäller. Und er förderte Frauen. Letzteres mit größerem Erfolg als Ersteres.
     
    Am 17 . Juli 1988 fährt in Form

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