Hoppe
einer so schlichten wie kurzen Notiz auf der Sportseite des
Oregonian
unvermutet ein Blitz in Hoppes Westküstenidylle. Die Nachricht von Wayne Gretzkys Hochzeit mit der amerikanischen Schauspielerin Janet Jones trifft Felicitas vollkommen unvorbereitet, eiskalt von hinten. Unter der Überschrift
99 endlich unter der Haube
und neben dem Bild eines strahlenden Hochzeitspaares (ach, diese strahlenden dritten Zähne!) liest Felicitas Folgendes: »Die Hochzeit fand in Toronto in der St. Joseph’s Basilica statt (obwohl weder Gretzky noch Jones katholischen Glaubens sind) und wurde in ganz Kanada übertragen. Die Aufgänge zur Kirche wurden von uniformierten Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr flankiert. Die Zeremonie (›royal wedding‹) kostete schätzungsweise eine Million kanadische Dollar, allein die Kosten für das Brautkleid belaufen sich auf ca. 40 000 Dollar. Das Brautpaar strahlte. Auf die Frage, wann und wie sie den Heiratsantrag erhalten habe, antwortet die lachende Braut: Am Telefon.«
Ein Schock, was sonst. »Aber jetzt ist er wider Erwarten da«, schreibt Felicitas noch am selben Abend an ihre vier Hamelner Geschwister (der erste Rückfall seit Jahren!), »jener Augenblick, den ich zeit meines Lebens gefürchtet habe und auf den ich zeit meines Lebens gewartet habe, weil ich wusste, dass er eintreten wird, auch wenn ich hoffte, dass er nie eintreten würde, weil ich weiß, dass ich ihm nicht gewachsen bin. Der Goaly ist erschöpft zur Seite getreten und hat sich höflich verbeugt, der Puck ist im Tor. Was soll er auch machen, gegen Janet wäre selbst Sawchuk (gemeint ist Terry Sawchuk, vgl. hierzu Kapitel 1 /fh) machtlos.
Er ist also endlich ausgeträumt, dieser süße und quälende Traum. Ich stehe ratlos vor dem Hamelner Hochzeitshaus und lausche den Zwölfuhrmittagsglocken zur höheren Ehre Gretzkys, Gretz the Great One, der große Gretzky, der weiße Tornado, mein geliebtes Eichhörnchen, mein Zwilling, mein Pretzl. Warum das Ganze? Wozu der Verrat? Janet, die große Entführerbraut und Wayne der verkaufte Bräutigam, für immer verschachert an die Könige von Los Angeles (gemeint sind vermutlich die L. A. Kings/fh). Ganz Kanada muss jetzt Trauer tragen um den auf immer verlorenen Sohn, als hätte er nicht schon genug gelitten, als man damals um ihn gewürfelt hat, weil Brantford zu klein für ihn war, weshalb seine Eltern ihn nach Toronto verkauften, für eine Million an McMaster.
Und damit das alles auch seine Ordnung hat, schenken sie ihm ein Telefon gegen die Einsamkeit nach dem Spiel, wenn Gretz von Heimweh zerfressen in seinem Zimmer hockt und vor Sehnsucht fast umkommt. Aber weil Walter halb taub war, schickte er, als es klingelte, Phyllis an den Apparat, die den Hörer abhob und, in der rechten den Hörer, in der linken die Zigarette, auf Waynes Stimme lauschte, die ihr entsetzlich weit weg vorkam und entsetzlich nah dran. Lauter Kindernöte und Ungereimtheiten, die sie immer wieder von vorn mit der Geschichte von jenem Kind parierte, das in die Welt hinausmuss, um sein Glück zu machen, und alle Ratten der Welt im Schlaf erlegt, jeder Schuss ein Treffer. Ist doch klar, dass das nur die Besten können, und eines Tages (an dieser Stelle hebt Phyllis enthusiastisch die Stimme), wirst du begreifen, wie sehr sich das alles gelohnt hat, jede Sekunde auf dem Eis. Niemals wirst du beiseitestehn, und, was noch viel wichtiger ist, du kannst nie mehr verschwinden. Denn man wird (Phyllis zündet sich eine weitere Zigarette an) Stadien und Plätze nach dir benennen, Schlittschuhe und Handschuhe, Mannschaften und Schläger, Restaurants (
Wayne Gretzky’s
at 99 Blue Jays Way in Toronto, Ontario, Canada/fh), Weinberge (
Gretky’s Vineyard
/fh), Modekollektionen (
The Wayne Gretzky Collection
/fh) und natürlich jede Menge Wohltätigkeiten für all die Kinder, die der Rattenfänger nicht mitnehmen wollte.
Und man wird Bücher über dich schreiben, das erste Buch Wayne, das zweite und dritte Buch Wayne, sogar eine Waynebibel wird man über dich schreiben, und (sie zündet sich eine weitere Zigarette an) man wird Filme über dich drehen, dich vertonen (
The Loves of Wayne Gretzky
, vgl. dazu Kapitel 4 /fh) und dich in Bronze gießen und – hier hält Phyllis inne und lauscht, weil sie mehr Mutter als Erzieherin ist, aber am anderen Ende der Leitung ist nichts zu hören – nächstes Wochenende kommst du nach Hause. Dann legte sie sanft den Hörer auf die Gabel, um leise in Walters
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