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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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Richtung zu fragen: Haben wir diese Kinder wirklich? Könnte nicht alles auch anders sein?
    Immer könnte alles auch anders sein. Janet könnte zum Beispiel auch Vicky heißen (gemeint ist vermutlich Vicky Moss, die erste große Liebe Wayne Gretzkys, die sich nachweislich nicht für Eishockey interessierte und später Sängerin wurde/fh), von mir aus auch Sawchy oder Fly, aber am Ende kommt es ja trotzdem so und nicht anders, es kommt, wie es nun mal kommen muss: Auf der Treppe nach oben, auf der letzten Stufe zur St. Joseph’s Basilica von Toronto drückt Phyllis ihre letzte Zigarette aus, bevor sie neben Walter die Kirche betritt, während zehn Eishockeyelfen den Brautschleier schleppen. Janet strahlt um die Wette mit Wayne (diese strahlenden Zähne!), während Floater neben der Braut am Altar steht und seiner Bestimmung nachkommt, indem er zum letzten Mal Zeugnis ablegt.
    Wie oft habe ich diese Bilder betrachtet, die phantastische Braut und den phantastischen Bräutigam und das in die Länge und Breite gezogene Lächeln, dieses berühmte Cheshire-Cat-Lächeln von Dick Floater, das auch noch dann in der Luft hängen wird, wenn er sich längst erhängt haben wird: CHASE THAT ! Aber Vorsicht, wenn du die Kirche verlässt, denn erst wenn scheinbar alles vorbei ist, wird es gefährlich, dann kommen die Jäger. Das weiß Walter genau, der, egal wie taub, alles hört und sieht und nicht eine Sekunde den Posten verlässt, so wie er sein ganzes Leben lang seinen Posten niemals verlassen hat. Weil er besser als alle anderen weiß, worauf die Gäste bei St. Joseph aus sind.
    Denn sie sind wie ich. Sie geben sich nicht mit Bildern zufrieden, sie wollen anfassen, was sie lieben, und was sie einmal in Händen halten, geben sie nie wieder her. Umso besser also, dass Walter dabei ist, der alles im Blick hat und Wayne, der im Glück schwimmt, daran erinnert, dass man niemandem hier die Hand schütteln darf, ohne vorher die Handschuhe auszuziehen, weil die Handschuhe sonst hinterher nicht mehr da sind: Most people marry their mother, sagte Wayne später, I married my father. (Die meisten Leute heiraten ihre Mutter, ich habe meinen Vater geheiratet.)
    Ich war nicht dabei, als Wayne seinen Vater geheiratet hat, aber gratulieren will ich ihm trotzdem zu diesem glücklichen Griff, denn jetzt fängt ja ein neues Leben an, nicht nur für ihn, sondern auch für mich, denn jetzt bin ich frei. Ich bin so frei, dass ich endlich das T-Shirt ablegen kann (
Wayne for Fly
/fh), das ich seit Jahren trage und immer noch trage, obwohl ich längst rausgewachsen bin. Vielleicht sollte ich einfach ein Päckchen packen, ja, genau, ich packe einfach ein Päckchen und schicke das T-Shirt an Wayne zurück, oder besser an Walter, der es unter Glas bringen wird und gerahmt in seine Garage hängt, zwischen die Regale mit den Trophäen, wo es besonders gut zur Geltung kommt.
    Und wenn dann die Gäste kommen, um die Pokale und Trophäen zu bewundern, werden sie vor dem T-Shirt stehen und fragen: Fly? Wer ist Fly? Kennen wir nicht, wird Walter sagen, nie gehört, nie gesehen, irgendein Fan. (Nicht irgendein Fan, sondern der größte und beste von allen!) Aber dann wird es wider Erwarten heißen (denn herein kommt Phyllis, die genau weiß, wie man mit Gästen umgehen muss): Ja, sie ist wirklich hier gewesen, hat hier gewohnt, gegessen, geschlafen, ganze acht Jahre lang, am liebsten Eier auf Steak und zwei Scheiben Toast, und hat manchmal mit mir an den Wochenenden in der Garage geraucht, wenn ihr Zwilling auf Tour war und ihr Vater beim Angeln.
    Das macht mir Mut, weil Phyllis mir immer Mut gemacht hat und mich bis heute daran erinnert, dass man tun soll, was man nicht lassen kann. Also fasse ich mir ein Herz, setze mich ans Telefon und wähle die Nummer, die ich seit Jahren auswendig kann. Genaugenommen sind es allerdings vier (ach, diese Wandermillionäre mit all diesen Nummern und Adressen!), eine in Toronto, eine in Los Angeles, eine in New York und eine in Vancouver. Und überall ist besetzt, was mich nicht weiter wundert, denn wie könnte das Telefon nicht besetzt sein, an einem Tag, an dem jeder Glück wünschen will? Aber ich gebe nicht auf, sondern wähle weiter, denn egal, wo du steckst, ich werde dich finden, und wenn ich die ganze Nacht wählen muss. Denn ich möchte dir sagen, wie glücklich ich bin, dass du glücklich bist, und meine Glückwünsche dulden keinen Aufschub, du sollst nämlich wissen, dass die Könige kommen.
    Und während ich weiter

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