Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
Vom Netzwerk:
die beste Schülerin in Felicitas’ Klasse (»ohne mich hätte sie Deutsch wahrscheinlich dreimal so schnell gelernt«, schreibt Hoppe später), und ganz offensichtlich in ihre Lehrerin verliebt. »Ich schrieb«, schreibt sie später, »unendlich lange Aufsätze, ganz egal zu welchem Thema, mindestens drei pro Woche, einzig um einen Grund zu haben, immer wieder in ihrer Sprechstunde aufzutauchen, wo sie mir regelmäßig versicherte, mein Deutsch sei so gut, dass ich mühelos eine Klasse überspringen könne, wobei ich nichts mehr fürchtete als das, weil ich nichts mehr liebte, als jeden Morgen bereits kurz vor acht Uhr in dem kleinen Klassenraum im Erdgeschoss zu sitzen und darauf zu warten, dass sie endlich zur Tür hereinkäme, mit dem Rucksack auf dem Rücken, dicken Stapeln Papier im Arm, immer höchst eigenwillig gekleidet, was vor allem deshalb auffiel, weil wir anderen alle dasselbe trugen, Jeans und Shirts und Turnschuhe, während sie mit Vorliebe Kleider und Röcke trug, Schuhe mit Absätzen, Stirnbänder in schillernden Farben und alle möglichen Arten von Ohrclips.
    Im Winter trug sie, obwohl es nie kalt wurde in Eugene und in all den Jahren kein einziges Mal schneite, Mützen mit Ohrenklappen (kariert) und Mäntel mit riesigen Knöpfen und kleinen Pelzkrägen, die ihr Gesicht (ich sehe noch deutlich das etwas zu spitze Kinn über dem obersten Knopf) auf besondere Weise zur Geltung brachten. Sie galt als die, wenn nicht am besten, so doch am auffallendsten gekleidete Frau auf dem ganzen Campus, angeblich ›europäischer Stil‹. In Wahrheit war sie bloß die am billigsten gekleidete Frau, denn alles, was sie trug, kaufte sie bei der Heilsarmee, ziemlich verrückte Stücke, die sie auf eigenartige Weise kombinierte. Eigentlich sah sie unmöglich aus, aber sie war wunderschön, oder jedenfalls kam es mir so vor, jedenfalls in gewissen Momenten oder einfach nur deshalb, weil sie jung war. Im Grunde genommen war mir völlig egal, was sie trug, solange ich ihr dabei zusehen konnte, wie sie vor der Klasse stand und Sätze und Zeichnungen an die Tafel warf. Sie hatte eine ausufernd große Handschrift, weshalb sie permanent mit großer Geste die Tafel wischte, um sich immer wieder von vorn Platz zu verschaffen. Überhaupt neigte sie in jeder Hinsicht zu großen Gesten, war ständig in Bewegung, ständig mit Kreide bestäubt.«
    Die Frage, ob Felicitas Bos (Bojanas) Zuneigung erwiderte, lässt sich nicht ohne weiteres beantworten. Felicitas hatte die gleichermaßen glückliche wie unglückliche Anlage, allen Menschen, die ihr begegneten, nicht nur Wohlwollen entgegenzubringen, sondern ihnen darüber hinaus häufig auch das Gefühl zu vermitteln, etwas Besonderes zu sein. Zweifellos eine pädagogische Gabe, die ihr im Unterricht zugutekam, in Freundschaften allerdings zu Missverständnissen führen konnte. Darüber hinaus war sie, wie wir bereits weiter oben gezeigt haben, gelegentlich sprunghaft und leichtfertig und nicht selten aus einer puren Laune heraus dazu in der Lage, Dinge zu tun, die sie später zwar selten bereute, die aber ihr jeweiliges Gegenüber durchaus verletzen konnten.
    Dazu BB : »Man hätte sie für naiv halten können, vielleicht war sie es auch, von mir aus, aber wenn sie es war, dann machte sie das jedenfalls todsicher mit ihren Instinkten wett, mit einer überaus feinen Intuition. Sie wusste nämlich genau, worum es ging, wer was von ihr wollte, wer was empfand, auch wenn sie ständig damit kokettierte, sie habe von diesen Dingen keine Ahnung. Eine Ahnungslosigkeit, die ich ihr niemals abnahm, dazu war sie viel zu sensibel. Und grausam bis zur Lächerlichkeit, zum Beispiel dann, wenn sie behauptete (und das tat sie regelmäßig), sie wisse überhaupt nicht, was Flirten sei, wie das geht und wie man das alles überhaupt macht, das mit dem Verführen. Barer Unsinn natürlich, sie war ja gerade mittendrin, voll dabei, und das wusste sie ganz genau. Denn spätestens auf den zweiten Blick war sie alles andere als schüchtern, sie war regelrecht eine Draufgängerin, was man sogar im Unterricht merkte. Und wer es nicht im Unterricht merkte, konnte es auf dem Sportplatz sehen, wo sie gelegentlich mit Herman Tennis spielte. Übrigens spielte sie schlecht und begründete das (wieder diese Koketterie) damit, dass ›Sportarten für zwei‹ nichts für sie seien, sie sei grundsätzlich auf Mannschaften angewiesen.«
    Hoppes Kollegen am German Department (die beiden ehemaligen Graduate Teaching

Weitere Kostenlose Bücher