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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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(sunnyside up/das Gelbe immer nach oben/fh) und Steaks zu braten, die sie anschließend allein essen musste, weil ich keinen Bissen herunterbrachte. Gegen halb acht stand sie auf, ging in ihr Zimmer und kehrte mit einer kleinen Kiste zurück, die eher einer großen Keksbüchse glich und die sie vor mich auf den Küchentisch stellte: Meine gesammelten Werke, sagte sie, mit Vorsicht und Diskretion zu behandeln, wenn du den Mut dazu hast, kannst du sie lesen, ansonsten zu den Fischen und Flaschen, aber das weißt du ja längst.
    Ja, sagte ich, ich weiß längst, dass du mich bloß an der Nase herumführst, weil du nicht aus Brantford, sondern aus Hameln kommst, und dass du dich für ein Glückskind hältst, weil deine vier Geschwister zurückbleiben mussten. Und weil du weißt, dass ich der Letzte bin, der nicht verstehen würde, warum du jetzt deine Koffer packst, um nach Hause zurückzukehren und endlich am runden Tisch zu sitzen. Aber eins musst du wissen, bevor du gehst: dass der eine oder andere in der Zwischenzeit wahrscheinlich geheiratet hat und dass du nichts bist als eine Tante, die zwei Brüder und zwei Schwestern hat und vier furchtlose Neffen, die weder Rucksäcke tragen noch Briefe schreiben, die andauernd ins Leere gehen.
    Auch dein letzter Brief ist zurückgekommen. Aber nicht, weil dir keiner antworten will, sondern weil deine Handschrift so schwungvoll ist, dass man sie einfach nicht mehr lesen kann. Immer über die Ränder hinaus. Vollkommen unentzifferbar. Jetzt mal ehrlich und ganz unter uns, was macht man mit einem, der immer über die Ränder hinausschreibt? Du weißt doch genau, dass es nicht darauf ankommt, verstanden zu werden, sondern darauf, sich verständlich zu machen, alles andere ist sinnlos. Ich legte den Brief auf den Tisch. Er war ungeöffnet und mit dem Vermerk ›Empfänger unbekannt‹ versehen. Sie lachte und sagte: Schöne Marken. Nur die mit dem Schiffsmotiv kommen nie an.
    Ich sehe sie noch genau vor mir, wie sie mit dem Brief in der Hand in der Küchentür steht und lacht. Sie sah genauso aus wie an jenem Abend, an dem ich sie zum ersten Mal im
Woodcutter
getroffen hatte, mit dem einzigen Unterschied, dass sie sich in der Zwischenzeit die Haare abgeschnitten hatte und jünger aussah als noch vor zwei Jahren. Die Haare standen irgendwie ungewaschen nach oben und zu den Seiten hin über den Ohren ab, und sie trug immer noch dieselben Sachen, diese komischen unvorteilhaften Hosen, einen etwas zu weiten Mantel (sie ging, egal wie warm es war, nie ohne Mantel und Schal aus dem Haus) und immer noch denselben karierten Rucksack, der, genau wie damals, schwer beladen schien, keine Ahnung, was sie da mit sich herumtrug. Warum macht sie nicht einfach den Reißverschluss auf und lässt mich einen Blick ins Innere werfen? Aber im selben Moment war mir klar, dass ich gar nicht wissen wollte, was sich in diesem Rucksack befand, sondern dass ich nur noch drauf aus war, die Kiste zu öffnen, die vor mir auf dem Küchentisch stand.
    Weshalb ich es plötzlich eilig hatte, sie samt Rucksack und Mantel zur Tür zu schieben, indem ich, wie um mir ein Alibi zu verschaffen, auf die Uhr über dem Herd wies und sagte: Jetzt musst du aber wirklich gehen, sonst kommst du zu spät. Worauf sie lachte, sich auf die Zehenspitzen stellte, meinen Kopf zwischen beide Hände nahm, mich auf die Stirn küsste (der Rest deines Gesichts gehört den Holzfällern) und lachend sagte: Du weißt doch genau, dass ich, ganz egal, wie betrunken ich bin, nie im Leben zu spät kommen werde.
    Ich sah ihr nach, während sie, ohne sich umzudrehen, die Straße hinunterging. Was auch immer man ihr einmal nachsagen wird, Prahlhanserei, Untreue, Sentimentalität oder Sprunghaftigkeit, eins muss man ihr lassen: Sie wird immer eine Meisterin des Abschieds bleiben. Weshalb ich mir, nachdem ich sie am Ende der Straße aus den Augen verloren hatte, meiner Übelkeit zum Trotz, einen Becher Kaffee eingoss und mich an den Tisch setzte, um endlich die Kiste zu öffnen und zum ersten Mal im Leben Hoppe zu lesen: ›Kein Zweifel, mein Geliebter will nicht mehr Hand an mich legen, und es ist Zeit, dass ich mich nach neuen Handlangern umsehe. Ich ging auf die Straße und rümpfte die Nase, denn die hohe Kunst des Beweinens habe ich nicht gelernt.‹«
(Picknick der Friseure)
     
    Es ist also Hans Herman Haman gewesen, der Hoppe erfand. Und es ist kein anderer als HHH gewesen, der dafür sorgte, dass man seiner Geschichte auch Glauben schenkte.

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