Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
Vom Netzwerk:
schließt.
    Im Licht der Nachttischlampe betrachtet, trug sie tatsächlich immer noch dieses Trikot ( 99 /Wayne for Fly/fh), aus dem sie längst rausgewachsen war, was ziemlich lächerlich aussah. Genau wie die Gäste, die sich plötzlich mit Kronen, Masken und Hockeyschlägern in unserem Zweibettzimmer mit Hafenblick drängten. SEID IHR ALLE DA ? Ja, sie sind alle da, die Luft wird dick, aber sie lassen sich ihren Spaß nicht verderben, diese als Weinköniginnen verkleideten Brautjungfern, der blinde junge Mann mit dem Cricketschläger und der Matrose, der in der hinteren Ecke am Fenster steht und auch nach dem fünften Bier nicht aufhört zu stottern. Bis ein russischer Riese (ein gewisser Grushenko) das Zimmer betritt, auf dem Kopf einen Adventskranz mit vier brennenden Kerzen, die das Zimmer kurzfristig in ein romantisches Licht tauchen. Bis die Kerzen, weil der Matrose plötzlich das Fenster aufreißt, um endlich an Frischluft und zu Wort zu kommen, alle vier auf einmal erlöschen, worauf der Riese den Puck aus der Tasche zieht (der erste Puck meines Lebens!), und, indem er ihn über den Boden schiebt, zur Begeisterung aller Anwesenden mehrfach zum Klingen und Leuchten bringt. Feuerwerk und Hochzeitsmusik!, ruft er. Die Gäste klatschen begeistert.
    Was die Hochzeitstorte betrifft: Es gab zwei davon, die Ms Ayrtons Sinn für Gerechtigkeit schon am Abend zuvor auf den Nachttischen links und rechts platziert hatte. Für mich ein Weinfass aus Marzipan mit einem Spund in Form einer Rose, für Felicitas ein Schokoladenklavier auf vier Rädern aus geschnitztem Krokant, der Einfachheit halber ohne Tasten, aber mit einem Deckel aus Nougat, in den der Konditor ein Doppelherz geschnitzt hatte, das sich wie ein Relief leicht über dem Deckel erhob. Den ersten Trauzeugen gab Onkel Benno (mit Geige und Regenschirm), den zweiten ich selbst. Aber wie soll ich ernsthaft den Trauzeugen machen, wenn ich doch selber der Bräutigam bin, rief ich verzweifelt. Felicitas lachte leise im Schlaf, denk drüber nach, und ich rufe zurück, ich weiß genau, dass du nicht schläfst und dass das kein Traum ist, du redest ja wie ein Wasserfall.
    Nur dass sie längst eine andere Sprache sprach, weshalb ich ihr nicht mehr folgen konnte. Es war das erste Mal, dass ich sie Deutsch sprechen hörte, die künstliche Sprache der Oper, oft dirigiert, nie erreicht. Warum hörst du nicht einfach auf zu sprechen und lässt uns singen und schlafen oder wenigstens träumen oder endlich eine richtige Reise machen, zu einem echten Wasserfall (gemeint sind vermutlich die Niagarafälle/fh)? Ein Königreich für einen sprachlosen Traum, für die reine Natur. Keine Bühne, keine Bilder und Fotos, keine Postkarten und Briefe, weder aus Hameln noch aus Brantford, auch nicht aus Klępsk. Heute Nacht nehme ich fast alles in Kauf, bloß nicht Waynes Handschrift, die du immer noch auf deiner Brust trägst, weshalb Felicitas eine uneinnehmbare Festung ist, immer die Hand an der falschen Klinke. Wie einfach und leicht ist dagegen das Schreiben, dieses süße Gefasel, dieses ›Denkst du an mich?‹ und ›Willst du nicht auch?‹, als wüssten wir jemals, was das bedeutet, an jemanden denken oder jemanden wiederzusehen, den man womöglich nicht wiedererkennt, selbst dann nicht, wenn ein Steckbrief in Umlauf ist.
    Wozu überhaupt Steckbriefe? Auch ohne Steckbrief befällt mich die quälende Eifersucht auf eine Frau, die ich nicht finde, nicht, weil sie nicht da ist, sondern weil sie nie meine sein wird, weshalb ich ihre Hand entschlossen von meinem Schenkel schiebe und mich auf die andere Seite drehe, weil ich das alles nicht ertrage, nicht die Handschrift von Wayne und erst recht nicht den Hund, der auf einem schäbigen Bettvorleger neben dem Bett liegt und mir genau zu verstehen gibt, dass ich nicht der Erste bin, mit dem sie in diesem Zimmer liegt, und dass ich auch nicht der Letzte sein werde. Immer war einer vor uns da, und immer wird einer nach uns kommen, dem man genau wie mir einreden will, dass wir immer die Ersten und Letzten sind.
    Eine ziemlich komische Oper, über die wir am nächsten Morgen lachten, als es zwischen uns langsam wieder hell wurde. Wir saßen im Frühstücksraum und taten erwachsen, während Lucy uns alles servierte, was die Küche bei
Grant’s Children
so hergibt: Toast, Marmelade (Brombeer und Himbeer), Schinken und Eier. Trauzeuge Floater war nirgends zu sehen (Stammgast, der kommt nicht vor Mittag, sagt Ms Ayrton), und Felicitas war

Weitere Kostenlose Bücher