Hoppe
zurückgelassen habe, über ihren Heften im Frühstücksraum, immer kurz vor der Vollendung, folglich unansprechbar, als wäre sie allein auf der Welt.«
Am siebten Tag hört es plötzlich auf zu schneien. Felicitas hat ihr Werk vollendet, ist verdächtig guter Dinge und drängt darauf, endlich auszugehen, um eine Stadt zu sehen, an die sie sich seit ihrem letzten Besuch ( 1974 /fh) nur schemenhaft erinnert, aber »obwohl sie vollkommen orientierungslos ist und aus ihrem Mangel an Orientierungssinn übrigens auch keinen Hehl macht, sondern sich manchmal sogar auf ziemlich kokette Weise damit brüstet«, schreibt Viktor, »bewegt sie sich ganz allgemein mit einer verblüffenden Selbstverständlichkeit durch Städte, geht buchstäblich immer der Nase nach, vielleicht auch nach Gehör. Nicht nur, dass sie keinen Führerschein hat, sie hat auch eine ausgeprägte Abneigung gegen Landkarten und Stadtpläne, von Reiseführern ganz zu schweigen, dafür eine Vorliebe für Seiten- und Nebenstraßen, für Umwege und unvermutete Richtungswechsel, die ihren Begleitern, wenn sie welche hat (›Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie am liebsten allein unterwegs ist und dass es bloß ihre Höflichkeit ist, die Begleiter duldet‹, schreibt zwanzig Jahre später Jerome Keith Chester, nachdem er Hoppe durch Chicago zu führen versucht hat./fh), ein Höchstmaß an Zuneigung und Geduld abverlangt.«
Jedenfalls ist sie, Viktors Bericht zufolge, an jenem Abend nicht davon abzubringen, sich auf die Suche nach einem Restaurant zu machen, das sie irgendwie noch von früher kennt und in dem sie kurz vor ihrer Einschiffung nach Adelaide angeblich zusammen mit Karl eingekehrt war: »Als wir nach einem fast zweistündigen Spaziergang durch die eisige Kälte, der eher einer Wanderung glich (F ist sehr gut zu Fuß und neigt nicht zum Flanieren!), schließlich Ecke Main und Green Street landeten, machte sie plötzlich abrupt halt, zeigte mit der Hand über die Straße und rief: Da ist es ja! Wir überquerten die Straße und blieben vor einem kleinen Haus stehen, das, eingezwängt zwischen zwei flachen Lagerhäusern, schlecht beleuchtet war. Die Fenster waren verrammelt, von drinnen hörte man Stimmen und Musik. Als ich nach oben blickte, sah ich über der Tür an zwei rostigen Ketten ein schneebedecktes verwittertes Blechschild, das im Abendwind leicht hin- und herschaukelte und auf dem ein schielender roter Krebs, eingerahmt von zwei riesigen Bierhumpen, auf einem Barhocker saß. Darunter, nur mühsam entzifferbar, die Schrift war zur Hälfte abgeblättert, stand in großen gelben Buchstaben
RED CRAB INN
(
Gasthaus zum Roten Krebs
/fh).
Felicitas drückte entschlossen die Tür auf. Schwer zu sagen, was überwog, meine Überraschung oder mein Misstrauen, als ich feststellte, dass der Mann hinter dem Tresen sie auf den ersten Blick erkannte. Da bist du ja endlich, rief er, und indem er ein Glas Weißwein über den Tresen schob und sie, die sich strahlend nach vorn über den Tresen lehnte, bei den Ohren fasste, um ihr einen Kuss auf die Stirn zu drücken, brüllte er zwischen die Tische: Wette gewonnen, Fly ist zurück, drei Runden für alle, aufs Haus und auf die Treue der Kundschaft! Die Männer an den Tischen gerieten sofort in Bewegung, aber bevor sich ein gewisser Grushenko erheben konnte, um sie gleichfalls zu küssen, packte ich sie bei den Schultern, schob sie an einen freien Tisch in der hinteren linken Ecke neben dem Tresen und bestellte einen doppelten Whiskey, der wie von Zauberhand sofort neben einem nachgefüllten Glas Weißwein auf dem Tisch stand. Wirklich unruhig wurde ich erst, als der Mann hinter der Bar, ein gewisser Fox, wie ich später erfuhr, der beim Füllen der Gläser und beim Mischen der Drinks unablässig redete, als kommentiere er eine Darbietung von einigermaßen mittelmäßigen Zauberkunststücken, anfing, Felicitas nach Karl auszufragen. Ich kippte den Whiskey und drängte zum Aufbruch, während sie, als hätte sie meine Anwesenheit längst vergessen, ein weiteres Glas Wein bestellte, worauf ich aufstand und das Lokal verließ.«
Der Rest des Abends im
Red Crab Inn
lässt sich nur mühsam rekonstruieren. Viktors Notizen zufolge will er später noch einmal in den
Roten Krebs
zurückgekehrt sein und Felicitas »immer noch Weißwein trinkend (Cocktails und Hard Drinks verabscheute sie)« an einem anderen Tisch vorgefunden haben, wo sie Schach mit einem der Gäste gespielt haben soll, einem gewissen
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