Horasia (German Edition)
viel Übung. Bei anderen Spezies wird der Sinn meistens unzuverlässig. Nur bei Menschen kann ich mir sicher sein. Aber ich hätte noch eine Frage an euch. Vor einigen Jahren ist uns ein Vampir, eines der gefährlichsten Exemplare, durch ein Portal entwischt, vermutlich in eure Welt. Habt ihr etwas davon gehört?"
"Natürlich", antwortete Rehson mit ironischem Unterton. "Nachdem er zu uns gekommen ist, hat er Giznar erpresst, Kontakt zu Außerirdischen aufgenommen und sich einen Palast aus Diamant gebaut."
"Also nein. Eine hilfreiche Antwort habe ich auch nicht erwartet. Es ist recht unwahrscheinlich, dass ihr über alle Vorgänge in eurer Welt informiert seid. Wir von Codoneb versuchen zwar, alle paranatürlichen Phänomene zu überwachen, aber selbstverständlich ist das unmöglich. Wir besitzen viele Mitglieder mit besonderen Fähigkeiten. Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen können Leute wie ich und George die Existenz von eurer Welt, Magie, Dämonen und so weiter oft leichter akzeptieren als normale Menschen. Außerdem kann so sichergestellt werden, dass wir keine Gefahr für Codoneb oder die Zivilbevölkerung darstellen. Können wir jetzt los? Wer von euch fliegt bei mir im Hubschrauber mit? Und ich wiederhole: Das ist keine Geiselnahme."
"Ich komme mit", bat sich Rehson an. "Sonst noch jemand? Du, Calan?"
"Warum ich?", fragte Calan ihn.
"Vor allem werden sich die Geiselnehmer freuen, wenn jemand bei ihnen mitfliegt, der absolut keine Gefahr darstellt. Außerdem gehe ich davon aus, dass du uns warnst, wenn es magische Gefahren in der Nähe gibt. Und dann solltest du besser im selben Fahrzeug wie ich sitzen."
"Meinetwegen. Ich wollte schon immer lebende Menschen ganz aus der Nähe betrachten."
"Dann wäre das also geklärt", stellte Walter fest. "Ihr anderen fliegt uns einfach hinterher. Die Flugzeit wird etwa drei Stunden betragen."
George stieg als erster in den Helikopter ein. Walter bedeutete Calan und Rehson, ihm zu folgen. Nachdem er selbst eingestiegen war, schloss er die Seitentür. Im Inneren saßen vier weitere Menschen, die die beiden Neoraptoren eingehend musterten. Kurz nachdem sie sich hingesetzt hatten, startete der Hubschrauber.
Als Calan aus dem Fenster blickte, sah er das Flugzeug der anderen Horasier, das ihnen folgte. Vermutlich bereitete es Ausgrym kein Vergnügen, ohne die Verwendung der Düsentriebwerke langsam hinter den beiden Hubschraubern herzufliegen.
Die folgende Zeit nutzte Walter, um den Neoraptoren die anderen Menschen im Hubschrauber vorzustellen. Der blonde Mann mit Brille, der neben Walter saß, hieß Arnar Helgisson und war ein Dämonenexperte aus einem Land namens Island. Bei der Frau mit den rotbraunen Haaren handelte es sich um Cynthia Dasim, eine Psychologin aus Amerika. Desweiteren waren zwei ehemalige Polizisten namens Peter Karf und Laurent Docard an Bord, die sich permanent in einer unbekannten Sprache unterhielten. Rehson wurde von Walter und George schnell dazu gebracht, ihnen alles über das Leben in Horasien zu erzählen, was jedoch früher oder später immer in seinen berühmten Vorträgen über wissenschaftliche Themen endete.
K apitel 15
Nordsee (Erde); 18. Mai 2013
"Wir sind fast da", sagte Walter.
"Euer Stützpunkt befindet sich mitten im Meer?", fragte Calan verwirrt.
"Ihr werdet sehen."
In einiger Entfernung tauchte eine Nebelwand über dem Meer auf, die Calan an Uthudar erinnerte.
"Ich wette, dieser Nebel ist nicht natürlichen Ursprungs", spekulierte Rehson. "Soll der euren Stützpunkt verbergen?"
"Sehr gut erkannt. Benutzt ihr solche Technologien in Horasien auch?"
"Ja, aber bei uns wird der Nebel meistens durch Magie erzeugt. Uthudar, die große Festung von Tar-Urth, hat zum Beispiel ein magisches Nebelfeld. Das dient aber eher zur Einschüchterung, da praktisch jeder die Position von Uthudar kennt. Und Hiéma, die zweite Festung Tar-Urths, besitzt eine magische Apparatur, die Stürme erzeugen kann."
"Was sind das eigentlich für seltsame Geräusche, die aus dem Gerät dort vorne kommen?", fragte Calan. "Ist das Gerät kaputt?"
Walter lachte. "Nein, das ist es bestimmt nicht. Bei uns Menschen nennt man das Musik. Das sind bestimmte Tonfolgen, die wir zur Unterhaltung einsetzen."
"Seltsam. Hat das irgendeinen Sinn?"
"Es kann Menschen glücklich machen. Einen konkreten Sinn hat Musik nicht, sie dient nur der Unterhaltung. Ein wichtiger Teil der menschlichen Kultur."
Diese Menschen würde Calan vermutlich nie verstehen.
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