Hornblower 02 - Leutnant Hornblower
ein köstliches Spielzeug; ihr backgesetztes Kreuzmarssegel leuchtete hell in der Morgensonne. Bush hielt bei ihrem Anblick den Atem an, nicht weil ihn ihre Schönheit ergriffen hätte, sondern weil ihm leicht ums Herz wurde, als er sie entdeckte.
Das Bild seines Schiffes und alles, was es an Gedanken und Vorstellungen in ihm weckte, vertrieb die letzten Nebel des Kampfrausches aus seinem Gehirn und ließ ihn mit einem Schlage wieder zu sich kommen. Jetzt gab es zunächst einmal tausenderlei Dinge zu tun.
Hornblower kam die entgegengesetzte Rampe herauf und nahm sich in seiner zerfledderten Uniform wahrhaftig aus wie eine Vogelscheuche. Genau wie Bush hielt er den Säbel in der einen, eine Pistole in der anderen Hand.
Neben ihm schwang der kleine Wellard ein überlebensgroßes Entermesser, und dicht hinter ihm folgte ein rundes Dutzen Matrosen mit aufgepflanzten Bajonetten und kampfbereit gefällten Musketen, Leute, die offenbar nicht so außer Rand und Band geraten waren wie die Masse der anderen.
»Guten Morgen, Sir«, sagte Hornblower. Sein reichlich mitgenommener Dreispitz saß ihm noch auf dem Kopf, er hätte also ohne weiteres grüßen können und wollte auch schon die Hand dazu heben, als ihm im letzten Augenblick einfiel, daß er ja noch den gezogenen Säbel damit hielt.
»Guten Morgen«, sagte Bush mechanisch.
»Meinen Glückwunsch, Sir«, sagte Hornblower. Er war sehr blaß, das Lächeln auf seinen Lippen nahm sich aus wie das Grinsen eines Totenkopfes. Dichte Bartstoppeln sprossen ihm auf Kinn und Wangen.
»Ich danke Ihnen«, sagte Bush.
Hornblower stieß seine Pistole in das Koppel und steckte den Säbel in die Scheide.
»Ich habe diese ganze Seite des Forts besetzt, Sir«, fuhr er fort und zeigte dabei hinter sich. »Soll ich mit der Durchsuchung der Räume fortfahren?«
»Ja, machen Sie nur weiter, Mr. Hornblower.«
»Aye, aye, Sir.«
Diesmal konnte Hornblower zu seiner Antwort grüßend den Hut berühren. Durch einen raschen Befehl setzte er einen Unteroffizier und eine Gruppe von Männern als Posten bei den Geschützen ein.
»Sehen Sie dort, Sir«, sagte Hornblower und zeigte nach dem Hang vor dem Fort. »Ein paar sind uns doch entwischt.«
Bush warf einen Blick den steilen Abhang hinunter, der geradenwegs zur Bucht abfiel, und erkannte ziemlich weit unten ein paar Gestalten.
»Wenn das alle sind, können sie uns nicht viel anhaben«, sagte er. Seine Gedanken begannen eben erst, wiede zuverlässig zu arbeiten.
»Nein, Sir, das können sie nicht. Ich habe drüben am Haupttor vierzig Gefangene unter Bewachung. Whiting sammelt, wie ich sehe, soeben den Rest. Wenn ich darf, möchte ich jetzt weitermachen, Sir.«
»Tun Sie das, Mr. Hornblower.«
So hatte also wenigstens ein Mensch während des ganzen Durcheinanders einen klaren Kopf behalten. Bush ging die Rampe auf der anderen Seite hinunter. Ein Unteroffizier und einige Matrosen standen dort auf Wache. Als Bush näherkam, machten sie ihre Ehrenbezeigung.
»Was macht ihr hier?«
»Das ist das Pulvermagazin, Zör«, sagte der Unteroffizier - es war Ambrose, Toppältester im Vortopp, der trotz all seiner langen Dienstjahre in der Marine das breite Devonshire-Englisch seiner Kindheit nicht verleugnen konnte. »Wir sollen das bewachen.«
»Befehl von Mr. Hornblower?«
»Jawohl, Zör.«
Am Haupttor hockte ein elendes Häufchen Gefangener.
Hornblower hatte sie ihm gemeldet. Aber da waren auch Posten, von denen er noch nichts wußte - einer am Brunnen, ein paar weitere am Tor. Woolton, der zuverlässigste Unteroffizier der ganzen Abteilung, war an einem langen hölzernen Schuppen neben dem Tor aufgezogen, er hatte nicht weniger als sechs Posten unter sich.
»Was ist Ihre Aufgabe?« fragte Bush.
»Wache beim Proviantlager, Sir. Es enthält Schnaps.«
»Gut, danke.«
Wenn die Burschen, die den Sturmangriff gemacht hatten - ener Seesoldat zum Beispiel, der mit dem Bajonett auf Bush losgegangen war -, außer Rand und Band, wie sie waren, zuletz noch an den Schnaps geraten wären, dann hätte sich auch der letzte Rest von Zucht und Ordnung aufgelöst.
Abbott, der Bushs eigener Abteilung zugeteilte Fähnrich, kam atemlos herbeigestürz »Sagen Sie, wo stecken Sie eigentlich?« fragte Bush gereizt.
»Seit Beginn des Angriffs haben Sie sich nicht mehr in meiner Nähe blicken lassen.«
»Ich bitte um Entschuldigung, Sir«, sagte Abbott kleinlaut.
Sicher hatte auch er sich von der Wucht des Sturmangriffs mitreißen lassen, aber das war
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