Hornblower 02 - Leutnant Hornblower
Mr. Hornblower«, sagte er, »legen sich jetzt am besten eine Weile schlafen. Sie brauchen vor allem Ruhe.«
»Ich habe Whiting um Mitternacht als Offizier vom Dienst abzulösen, Sir«, sagte Hornblower, »außerdem muß ich meine Runden gehen.«
»Das mag alles sein. Aber bis Mitternacht sind immer noch zwei Stunden Zeit. Packen Sie sich solange in die Koje, und lassen Sie sich jedenfalls um vier Uhr wieder von ihm ablösen.«
»Aye, aye, Sir.«
Schlafen! Der bloße Gedanke, sich ausstrecken und die Augen schließen zu können, ließ Hornblower vor Müdigkeit schwanken.
»Am besten wäre es, wenn Sie es ihm ausdrücklich befehlen würden«, meinte Bush zu Buckland.
»Was soll das nun wieder? Nun ja, meinetwegen. Also hören Sie, Mr. Hornblower: Ich befehle Ihnen, sich auszuruhen, solange es Ihr Dienst irgend zuläßt.«
»Aye, aye, Sir.«
Bush stieg hinter Buckland vorsichtig den steilen Pfad zur Anlegebrücke hinab und nahm dann in der Achterplicht der Gig an seiner Seite Platz.
»Ich kann aus diesem Hornblower nicht klug werden«, warf Buckland gelegentlich etwas mürrisch ins Gespräch, während die Gig auf die vor Anker liegende Renown zustrebte.
»Er ist bestimmt ein guter Offizier, Sir«, gab Bush zur Antwort. Aber er war schon nicht mehr ganz bei der Sache, im Geist befaßte er sich nämlich schon mit der Aufgabe, einen langen Neunpfünder auf das steile Kliff zu heißen. Er überschlug bereits, was er dazu an Geschirr und Ausrüstung brauchte, und legte sich zugleich die nötigen Anordnungen zurecht. Die Boje mußte mit zwei schweren Ankern, nicht etwa nur mit leichten Bootsdraggen verankert werden. Die Duchte der Barkaß wurden am besten abgesteift, damit sie das Gewicht des Geschützes trugen. Man brauchte Laufblöcke und Stroppen - um Anheißen war es wohl am sichersten, das Geschütz an den Schildzapfen und am Bodenstück zugleich aufzuhängen.
Bush gehörte nicht zu dem intellektuellen Menschenschlag, der seine Freude an theoretischen Überlegungen findet. Eine Unternehmung zu planen, sich im Geist in die Lage des Gegners zu versetzen und die Gedanken anderer zu denken, Überraschungen und Improvisationen auszuklügeln, das alles entsprach nicht seinen Fähigkeiten und konnte ihm daher auch nicht liegen. Wenn es aber darum ging, eine klar umrissene, handgreifliche Aufgabe zu lösen, wenn mit Trossen, Taljen und Bruchbelastungen zu rechnen war, das heißt, wenn es sich darum handelte, ein seemännisches Meisterstück zu liefern, dann war Leutnant Bush nicht zu schlagen, weil er nicht nur eine natürliche Veranlagung für den Seemannsberuf besaß, sondern darüber hinaus von Jugend auf mit allen seinen Künsten und Kniffen verwachsen war.
13. Kapitel
Er machte sich denn auch mit Hingabe, ja mit Begeisterung ans Werk. Eine Aufgabe, wie sie Bush gestellt war, verlangte von ihrem Leiter aber nicht nur die Beherrschung des seemännischen Handwerks, sondern vor allem auch jene kluge Voraussicht, die allen denkbaren Gefahren und Schwierigkeiten vorbeugt, indem sie sich schon in der Vorstellung damit befaßt, ihnen zu begegnen. Grundlage dieser Fähigkeit kann natürlich nur langjährige Erfahrung sein, denn schließlich ist nur für den alten Seemann »alles schon einmal dagewesen«. So schloß auch Bush mit seinem gesunden Menschenverstand vom Erlebten, Erfahrenen her auf die Gesetzlichkeit dieser neuen Aufgabe, die ihm von Minute zu Minute vertrauter wurde - und kam zu brauchbaren Ergebnissen. Als das schwierige Manöver begann, hatte er auf diese Art alles vorausberechnet, was sich überhaupt vorausberechnen ließ. Sein Plan hatte keine Lücke, er mußte nach menschlichem Ermessen gelingen.
Dennoch wußte er nur zu genau, daß die dem Seemann so vertraute Tücke des Objekts immer noch Überraschungen bereithielt, denen man oft in Sekundenschnelle zu begegnen hatte. Darum verfolgte er voll Spannung, immer in Erwartung des Unerwarteten, wie das schwere Rohr, vorgeheißt von einer starken Gruppe kräftiger Männer, Pull um Pull den Steilhang emporschwebte, wie es dort endlich wieder festen Boden erreichte und schließlich von einem Dutzend Seesoldaten das letzte Stück Wegs bis zu seinem Aufstellungsort getragen wurde. Dem Rohr folgte auf dem gleichen Weg die Lafette, dann wurde das Geschütz auf der inzwischen gezimmerten Plattform montiert.
Damit war nach stundenlanger Arbeit in sengender Sonne für alle und so manchen angstvollen Sekunden für Bush die gestellte Arbeit in der Hauptsache
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