Hornblower 02 - Leutnant Hornblower
stechend durchbrach er den Ring seiner Feinde. Aber er blieb mit seinem Erfolg allein, niemand von seinen Leuten tat es ihm nach. Ihm öffnete sich endlich freie Bahn, aber hinter ihm schlossen sich gleich die Reihen, und der ungleiche Kampf ging weiter.
Seine Raserei wich allmählich ruhigerer Besinnung. Als er wieder in die Wirklichkeit zurückfand, lehnte er an einem der Achtzehnpfünder, die das Oberdeck bestückten - oder schien es nicht vielmehr, als wollte er sich hinter der Kanone verstecken?
Man hatte ihn für den Augenblick vergessen, er hielt noch immer seinen Säbel in der Hand und bemühte sich, trotz seiner Benommenheit ein Bild der Lage zu gewinnen. Wie konnte dieses Unglück entstehen? Ohne Zweifel steckte nichts als sinnliche Begierde dahinter, die wohl einige Leute dazu verleitet hatte, das ganze Schiff aufs Spiel zu setzen. Nicht, als ob es dabei einen richtigen Handel gegeben hätte, bestimmt hatte sich keine dieser Frauen in der ausdrücklichen Absicht hingegeben, damit einen Verrat zu erkaufen. So war es bestimmt nicht gewesen. Aber es war nicht schwer zu erraten, daß sich die Frauen samt und sonders nicht eben abweisend benahmen und daß einige von den Wachmannschaften ihre Pflicht vernachlässigt hatten, um diese schöne Gelegenheit nicht ungenutzt vorübergehen zu lassen. So konnte es sehr wohl kommen, daß die Absperrung nicht mehr ganz dicht hielt.
Einzelne Gefangene schlüpften durch, wahrscheinlich vor allem die Offiziere im Fähnrichsquartier, und das Ende war die wohlvorbereitete allgemeine Erhebung. Da waren sie dann in Massen aus den Luken gequollen, hatten die Posten überwältigt und sich gleich als erstes der Waffen bemächtigt. Die Freiwache schlief in ihren Hängematten und leistete natürlich keine Widerstand, sie wurde wie eine Schafherde nach vorn getrieben, gegen das Schott gedrängt und dort durch eine Schar Bewaffneter im Schach gehalten, während andere Gruppen nach achtern eilten, um sich der Offiziere zu bemächtigen, und unterwegs an Oberdeck jeden niedermachten oder gefangensetzten, der ihnen entgegentrat. An allen möglichen Stellen des Schiffes gab es bestimmt noch verstreute Gruppen von Matrosen und Seesoldaten, die ebenso frei waren wie er selbst, aber keine Waffen in Händen hatten und auch keinen Mut zu weiterem Widerstand aufbrachten. Es war zu erwarten, daß die Spanier bei Tagesanbruch zuallererst eine richtige Kampfabteilung bildeten, die das ganze Schiff durchkämmte und alle noch vorhandenen Widerstandsnester eines nach dem anderen überwand. Unvorstellbar, daß so etwas überhaupt geschehen konnte, und doch war es bittere Wirklichkeit. Für vierhundert wohldisziplinierte Soldaten, die ihr Leben rücksichtslos in die Schanze schlagen und von tapferen Offizieren geführt sind, liegt eben auch das Unwahrscheinlichste noch im Bereich der Möglichkeit.
Laute Befehle - spanische Befehle - schollen über das Deck der Renown. Das Schiff war in den Wind geluvt, so daß die Segel backschlugen, als die Rudergänger an ihrem Rad überwältigt worden waren. Jetzt lag es, bald luvend und bald abfallend, quer in der See, und oben in der Takelage flappten und donnerten die losen Segel. Die Spanier hatten auch Seeoffiziere - die der Prisen - an Bord, die gewiß imstande waren, das Schiff binnen weniger Minuten in ihre Gewalt zu bringen. Selbst mit einer Besatzung von Landratten mußte es ihnen möglich sein, die Rahen zu brassen, das Ruder zu besetzen und am Wind durch den Jamaikakanal zu steuern.
Jenseits dieser Durchfahrt, nur eine gute Tagereise entfernt, lag ja das rettende Santiago. Am Himmel zeigte sich bereits die erste leise Spur der Dämmerung. Nicht mehr lange, dann war der Morgen da, an dem sich das Grauen vollenden mußte. Bus krampfte die Hand fester um seinen Säbelgriff, der Kopf schwindelte ihm, er fuhr sich mit dem Arm über das Gesicht, um die Spinnweben wegzuwischen, die sich gleich einem Schleier vor seinen Blick zu legen schienen.
Plötzlich, schattengleich, aber doch deutlich gegen den Himmel zu erkennen, zeigte sich auf der gegenüberliegenden Seite des Schiffes die Takelage eines anderen Fahrzeuges, das sich längsseit langsam nach vorn schon - Masten, Rahen, das stehende Gut, ein Marssegel, das langsam herumschwenkte. Auf der Renown ertönte wildes Geschrei, es folgte ein knirschendes Krachen, als die beiden Schiffe in der See zusammenschlugen, dann eine qualvolle Pause, vergleichbar dem Augenblick, bevor ein Brecher sich am Strand
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