Hornblower 02 - Leutnant Hornblower
jedenfalls ein gutes Mittel, Wellard von seinem Kummer abzulenken, ohne ihn körperlich anzustrengen. Er mußte verfolgen, wie der Sand durch das Minutenglas lief und dieses rasch umdrehen, wenn er zu Ende war, dann einen Strich auf die Tafel machen und weiter beobachten. Bush hatte seine Zweifel, ob das Halbstundenglas wirklich stimmte, da war es gut, wenn man die beiden Gläser einmal miteinander verglich.
Wellard stelzte mit steifen Beinen zum Kompaßhaus und bereitete die befohlene Beobachtung vor. Plötzlich tauchte der Kommandant wieder auf, seine große Nase zielte erst nach Backbord, dann nach Steuerbord. Offenbar war seine Stimmung wieder umgeschlagen, die ruhelose Geschäftigkeit von vorhin war verflogen, und er benahm sich eher wie ein Mann, der gut gegessen hat. Wie es die Bordetikette vorschrieb, entfernte sich Bush von der Luvreling des Achterdecks, als der Kommandant erschien, und dieser begann, nun langsam in Luv auf und ab zu gehen. Aus langer Gewohnheit paßten sich seine Schritte dem Stampfen und Rollen des Schiffes an. Wellard warf nur einen kurzen Blick nach ihm und wandte dann seine ganze Aufmerksamkeit wieder den Sanduhren zu. Eben ertönten die sieben Glasen, und das Halbstundenglas wurde gewendet. De Kommandant ging noch ein paar Minuten auf und ab. Dann blieb er stehen, warf einen prüfenden Blick nach Luv und auf das Wetter, fühlte mit der Wange die Windrichtung, peilte aufmerksam nach dem Flögel und nach den Marssegeln, um zu prüfen, ob die Rahen richtig getrimmt waren, und kam endlich nach mittschiffs, um einen Blick auf den Kompaß zu werfen und nachzusehen, welcher Kurs anlag. Das war ein durchaus normales Verhalten, jeder Kommandant eines Schiffes handelte so, wenn er an Deck kam. Wellard wurde gewahr, daß der Kommandant neben ihn trat, und gab sich Mühe, jedes Zeichen von innerer Unruhe zu vermeiden, er stürzte das Minutenglas und machte einen Strich auf die Tafel.
»Sieh da, Mr. Wellard! An der Arbeit, wie?«
Seine Stimme klang belegt und etwas verschwommen, das waren nicht mehr die scharfen Töne von vorhin, aus denen Angst und innere Unruhe gesprochen hatten. Wellard hielt seine Augen auf den rinnenden Sand geheftet und zögerte mit der Antwort. Bush sagte sich sofort, daß er wohl in aller Eile überlegte, wie er dem Kommandanten geziemend antworten sollte, ohne eine neue Gefahr heraufzubeschwören.
»Aye, aye, Sir.«
In der Marine konnte man nicht weit fehlgehen, wenn man einem Vorgesetzten diese Antwort gab.
»Aye, aye, Sir«, wiederholte der Kommandant. »Ja, ja, vielleicht hat sich Mr. Wellard jetzt eines Besseren besonnen, vielleicht hat er gelernt, was es heißt, sich gegen seinen Kommandanten zu verschwören, der durch persönliche Order unseres allergnädigsten Königs Georg II. eingesetzt und zu seinem Vorgesetzten bestellt wurde. Wie, Mr. Wellard?«
Es war alles andere ais leicht, darauf die richtige Antwort zu finden. Nein oder ja, eins konnte so schlimme Folgen haben wie das andere.
»Mr. Wellard ist verdrießlich«, sagte der Kommandant.
»Vielleicht denkt Mr. Wellard noch an das, was hinter ihm liegt.
Ja, hinter ihm. Weinend saßen wir an den Wassern Babylons - ber Mr. Wellard ist stolz und hat fast gar nicht geweint. Jetzt will er sich auf keinen Fall setzen, nein, er hütet sich ängstlich davor, Platz zu nehmen. Sein Hinterquartier, das schamhaft versteckte, hat ja für seine Schamlosigkeit bezahlen müssen.
Erwachsene Männer, die in Ehren etwas ausgefressen haben, traktiert man auf den Rücken, aber ein Junge, ein ungezogener, niederträchtiger Bengel wird eben anders behandelt. Stimmt's, Mr. Wellard?«
»Jawohl, Sir«, murmelte Wellard. Etwas anderes war nicht darauf zu sagen, und eine Antwort mußte gegeben werden.
»Mr. Booths Stock war genau das richtige Instrument dazu. Er hat nützliche Arbeit getan. Der Sünder konnte seine Missetat bedenken, während er über der Kanone lag.«
Wellard kippte von neuem das Glas um, der Kommandant gab sich anscheinend endlich zufrieden und nahm zu Bushs Erleichterung seinen Spaziergang wieder auf. Aber plötzlich verhielt er von neuem neben Wellard seinen Schritt und begann wieder zu reden. Er sprach jetzt in einem höheren, lauteren Ton.
»Sie haben sich doch gegen mich verschworen, nicht wahr?« ragte er. »Sie wollten mich vor den Mannschaften lächerlich machen, ja oder nein?«
»Nein, Sir«, sagte Wellard, aufs neue zu Tode erschrocken »nein, Sir, bestimmt nicht, Sir.«
»Sie und dieser
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