Hornblower 03 - Hornblower auf der Hotspur
einen langen Blick achteraus nach der Hotspur , die dort beigedreht lag. Sachverständig betrachtete er die Linien ihres Rumpfes, gab sich - endlich wieder einmal aus einiger Entfernung - Rechenschaft über die verschiedene Höhe ihrer Masten, über den Abstand, den sie untereinander hatten und über den Fall ihres Bugspriets. Er wußte nun schon recht gut, wie sich sein Schiff unter Segel benahm, dennoch gab es immer noch etwas hinzuzulernen. Jetzt war dazu allerdings keine Zeit, denn eine einsetzende Bö legte das Boot hart über, und schon war es um Hornblowers ganze Selbstsicherheit geschehen. Der bescheidene Seegang, von dem die Hotspur überhaupt keine Notiz nahm, gewann hier, von dem kleinen Boot aus gesehen, geradezu unheimliche Dimensionen. Das unangenehme Fahrzeug lag nicht nur über, sondern hob sich zugleich mit schwindelerregender Hast wie schwebend über die Seen. Wo war jetzt das feste Deck der Hotspur , wo ihre gemessenen Bewegungen, an die er sich unter so vielen Leiden endlich gewöhnt hatte? Ihm, der dem bevorstehenden Ereignis ohnedies mit zitternden Nerven entgegensah, gab dieses Boot mit seinen ungewohnten Bocksprüngen vollends den Rest.
Würgend und schluckend kämpfte er gegen die Seekrankheit, die ihn hier sozusagen aus dem Hinterhalt anfiel. Dann, um sich abzulenken, richtete er sein Augenmerk auf die Tonnant , die langsam, ach, viel zu langsam, höher wuchs. Von ihrem Großtopp wehte an Stelle des üblichen Kommandowimpels in Dienst befindlicher Schiffe der begehrte Breitwimpel eines Kommodore. Er war das Kommandozeichen eines Kapitäns, dem außer dem eigenen auch andere Schiffe unterstellt waren.
Pellew hatte eine hohe Stelle in der Rangliste der Kapitäne inne, aber darüber hinaus stand jetzt schon fest, daß er für wichtige Stellungen ausersehen war, sobald er den Rang eines Flaggoffiziers erreichte. In der Kanalflotte gab es bestimmt so manchen Konteradmiral, der Pellew um sein schönes Küstengeschwader bitter beneidete. Jetzt sah er, wie ein Boot an der Steuerbordseite der Tonnant längsseit ging. Es war weiß, mit roten Streifen abgesetzt und hatte in der Form keine Ähnlichkeit mit den üblichen Dienstfahrzeugen, die von der Navy gestellt wurden. Die Besatzung trug rotweiße Uniformen, die zu den Farben des Bootes paßten. Der Kommandant, der da seine Aufwartung machte, mußte ein rechter Geck sein - aber eher konnte man schon annehmen, daß es ein Flaggoffizier war.
Hornblower sah, wie eine mit Ordensband und Epauletten geschmückte Gestalt das Fallreep hochstieg, und über das Wasser her hörte man das Zwitschern der Pfeifen und ein dröhnendes Bumbum, das ihm verriet, daß dort offenbar eine Kapelle spielte. Im nächsten Augenblick wehte im Vortopp eine weiße Admiralsflagge aus. Ein Vizeadmiral der weißen Flagge!
Das konnte kein anderer sein als Cornwallis selbst. Jetzt war sich Hornblower darüber klar, daß diese Zusammenkunft, zu der er durch das Signal: »Alle Kommandanten an Bord des Flaggschiffes« befohlen worden war, mehr bedeutete, als ein gewöhnliches kameradschaftliches Treffen. Ganz unglücklich sah er an seiner schäbigen Uniform hinunter, aber dabei fiel ihm wenigstens ein, seinen Bootsumhang zu öffnen und das Epaulett auf seiner linken Schulter zu zeigen, dieses schäbige messingbeschlagene Stück, das er noch von seiner ersten, nicht bestätigten Beförderung zum Korvettenkapitän her besaß. Mein Gott, seitdem waren nun auch schon wieder zwei Jahre vergangen! Und jetzt malte er sich aus, wie der Wachhabende Offizier am Fallreep den Kieker sinken ließ und seinen Befehl gab, der vier von den acht Fallreepsgästen verschwinden hieß, damit ein kleiner Korvettenkapitän auf keinen Fall mit dem Zeremoniell empfangen wurde, das nur einem Vizeadmiral zustand. Das Admiralsboot hatte inzwischen abgelegt und machte dem Boot der Hotspur Platz. Hornblower war nicht so seekrank und aufgeregt, daß es ihn kaltgelassen hätte, ob sein Boot eine gute Figur machte oder sein ganzes Schiff blamierte.
Aber diese Sorge wurde alsbald durch die bevorstehende Aufgabe verdrängt, mit gebührender Haltung über das Seefallreep an Bord zu gelangen. Die Tonnant war ein hochbordiger Zweidecker, darum war es für den nervösen Hornblower nicht so ganz einfach, in seiner hinderlichen Uniform über die Jakobsleiter an Deck zu entern, obwohl ihm die geschickte Ausnutzung der Schiffsbewegungen nicht unwesentlich dabei half. Irgendwie gelangte er schließlich ans Ziel, irgendwie
Weitere Kostenlose Bücher