Hornblower 03 - Hornblower auf der Hotspur
dachte er trotz aller Gehemmtheit daran, grüßend die Hand an den Hut zu heben, als er die Front der präsentierenden Wache abschritt.
»Kapitän Hornblower?« erkundigte sich der Wachhabende Offizier. Er erkannte ihn an dem einen Epaulett auf der linken Schulter, war er doch der einzige Korvettenkapitän des Küstengeschwaders, vielleicht sogar der einzige in der ganzen Kanalflotte. »Der junge Herr hier zeigt Ihnen den Weg.«
Nach der Enge auf der Hotspur kam ihm das Deck der Tonnant phantastisch weit und geräumig vor. Die Tonnant trug ja auch nicht nur die üblichen vierundsiebzig, sondern vierundachtzig Geschütze, in ihren Maßen und in ihrer Bauart entsprach sie sogar einem richtigen Dreidecker, sie stammte ja aus einer Zeit, da die Franzosen noch solche mächtigen Schiffe bauten, weil sie die kleineren englischen Vierundsiebziger durch brutale Übermacht statt durch Taktik und Disziplin zu schlagen hofften. Wie dieses Unterfangen ausgegangen war, konnte man daraus entnehmen, daß auf der Tonnant jetzt die englische Kriegsflagge wehte.
Da kein Flaggoffizier an Bord ständig eingeschifft war, hatte man die beiden großen Achterkajüten für Pellew zusammengelegt. Die Räume waren mit allem erdenklichen Überfluß ausgestattet. War man an dem Posten Kajüte vorüber, so versank der Fuß in dicken, weichen Wilton-Teppichen, die jedes Geräusch verschluckten. In einem Vorraum wartete ein Steward in strahlend weißer Montur, der Hornblower Hut, Handschuhe und Umhang abnahm.
Der »junge Herr« riß die Tür zur Kajüte auf und meldete:
»Kapitän Hornblower, Sir.«
Die Decksbalken waren lichte sechs Fuß über dem Teppich.
Pellew hatte sich so an diese Höhe gewöhnt, daß er, ohne sich zu bücken, auf Hornblower zutrat, um ihm die Hand zu schütteln, während dieser mit seinen fünf Fuß elf Zoll Größe unwillkürlich den Kopf einzog. »Ich freue mich, Sie zu sehen, Hornblower«, sagte Pellew. »Das ist herzlich und aufrichtig gemeint. Es gibt ja so vieles, was ich Ihnen sagen möchte, denn schriftlich läßt sich das immer nur in höchst unbefriedigender Weise tun. Aber lassen Sie sich zunächst einmal vorstellen.
Soviel ich weiß, sind Sie dem Admiral ja schon bekannt, nicht wahr?« Hornblower reichte Cornwallis die Hand und murmelte dabei wieder dieselben höflichen Redensarten wie eben bei der Begrüßung Pellews. Anderen wurde er vorgestellt und hörte dabei Namen, die jedermann kannte, der in der Gazette die Berichte über Siege zur See gelesen hatte. Da war Grindall von der Prince , Marsfield von der Minotaur , Lord Henry Faulet von der Terrible und noch ein halbes Dutzend mehr. Hornblower war durch all das Gold wie geblendet, obwohl er doch eben erst aus der hellen Sonne draußen gekommen war. Einen einzigen anderen Offizier entdeckte er inmitten der glitzernden Pracht, der auch nur ein Epaulett trug, aber nicht wie er auf der linken, sondern auf der rechten Schulter. Das hieß, daß dieser Mann bereits den glanzvollen Rang eines Fregattenkapitäns erklommen hatte. Wenn er nur lange genug lebte, um in der Altersrangliste noch drei Jahre aufzurücken, durfte er sich auch auf die andere Schulter ein Epaulett heften. Schenkte ihm das Schicksal dazu noch eine lange Reihe weiterer Jahre, dann brachte er es womöglich gar zu der traumhaften Würde eines Flaggoffiziers. Schon heute stand er ja ungleich höher über einem kleinen Korvettenkapitän als dieser über dem bescheidensten Leutnant. Hornblower nahm auf dem angebotenen Stuhl Platz und schob ihn unwillkürlich etwas zurück, um als Jüngster, ach, als weitaus Jüngster dieser Runde möglichst nicht aufzufallen. Die Wände der Kajüte waren mit kostbarem Stoff - Hornblower riet auf Damast - bespannt, dessen dezentes aus blauen und braunen Tönen gemischtes Muster eine wahre Wohltat für die Augen war. Durch das riesige Heckfenster drang helles Licht herein und spielte blitzend auf den sachte schwingenden silbernen Hängelampen. Auf einem Regal stand eine Reihe Bücher, einige davon in schönes Leder gebunden, aber auch andere, die Hornblowers scharfes Auge sogleich entdeckte: zerlesene Exemplare des Segelhandbuchs und der gesammelten Nachrichten der Admiralität über die Küsten Frankreichs. Ganz achtern ragten zwei großmächtige vierkante Kästen in den Raum, die so verkleidet waren, daß sie leidlich in diese Umgebung paßten. Kein Unkundiger hätte vermutet, daß sich unter dieser Tarnung zwei Achtzehnpfünder-Karronaden verbargen.
»Wie
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