Hornblower 03 - Hornblower auf der Hotspur
Sir.«
Die blauen Augen wanderten suchend in der Kajüte herum, aber sie konnten nichts entdecken.
»Leider habe ich keine Kommandantenvorräte, Sie müssen schon in die Kombüse gehen. Mr. Simmonds wird Ihnen etwas für mich richten.« Als Deckoffizier hatte Mr. Simmonds Anspruch darauf, daß man seinem Namen ein »Mister« voransetzte. »Nein, da fällt mir etwas anderes ein. Irgendwo müssen hier an Bord noch zwei Hummer zu finden sein. Soviel ich weiß, stehen sie in einer Balje mit Seewasser auf der Barring. Ach richtig, dieses Wasser ist ja nicht erneuert worden, seit Ihr Vorgänger tot ist, das ist jetzt schon fast vierundzwanzig Stunden her. Sie müssen das jetzt gleich nachholen. Bestellen Sie dem Wachhabenden Offizier meine Empfehlung, er möge zu dem Zweck die Deckwaschpumpe besetzen lassen. Dann bleibt der eine Hummer am Leben und ich bekomme jetzt den anderen.«
»Jawohl, Sir. Darf ich mir einen Vorschlag erlauben, Sir?
Wenn ich jetzt beide Hummer koche, dann könnten Sie heute Abend den einen warm und morgen den zweiten kalt verspeisen.«
»Ja, das wäre eine Möglichkeit«, räumte Hornblower, ohne sich festzulegen, ein.
»Dazu gehörte natürlich Mayonnaise«, sagte Doughty.
»Haben wir Eier an Bord, Sir? Und vielleicht auch Salatöl?«
»Ach woher«, fuhr ihn Hornblower an. »Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß außer den beiden verfluchten Hummern keine Kommandantenvorräte an Bord sind?«
»Jawohl, Sir. Dann werde ich Ihnen den einen heute Abend mit zerlassener Butter servieren. Was ich morgen tun kann, wird sich herausstellen.«
Da platzte Hornblower heraus: »Ach, tun Sie doch, was Sie wollen, und lassen Sie mich jetzt gefälligst in Ruhe!«
Seine Stimmung verschlechterte sich zusehends. Er hatte Batterien zu stürmen, aber er durfte auch nicht vergessen, daß ein paar Hummer frisches Wasser bekamen, damit sie am Leben blieben. Und Pellew, sein Pellew verließ die Flotte vor Brest, eben erst hatte er den Befehl gelesen, der den Salut beim morgigen Flaggenwechsel regelte. Ach, morgen! Da lag ihm dieser Doughty wieder mit seiner Mayonnaise (der Teufel wußte, was das war) in den Ohren und fing dann womöglich gar noch an, in seinen geflickten Hemden zu kramen. »Jawohl, Sir«, sagte Doughty und verschwand so leise, wie er gekommen war.
Hornblower ging an Deck, um seine schlechte Laune durch Bewegung zu vertreiben. Schon der erste Atemzug in der köstlichen Abendluft stimmte ihn milder, im gleichen Sinne wirkte die Eile, mit der alles verschwand, um ihm die Luvseite des Achterdecks zu überlassen. Hier hatte er so viel Raum, wie sein Herz begehrte - fünf lange Schritte nach vorn und fünf nach achtern, aber alle anderen Offiziere konnten jetzt die Luft nur in drangvoller Enge genießen. Sollten sie. Ihm war es auferlegt gewesen, seinen Bericht an Pellew nicht weniger als dreimal zu schreiben: einmal im Entwurf, dann in Reinschrift und endlich als Abschrift in sein geheimes Briefbuch. Einige Kommandanten überließen diese Arbeit ihren Sekretären, aber Hornblower wollte das nicht gefallen. Es gab nämlich Sekretäre, die ihre Vertrauensstellung in übelster Weise mißbrauchten. Auf jedem Schiff waren ja Offiziere, die darauf brannten, zu hören, was ihr Kommandant über sie sagte, oder solche, die sich lebhaft dafür interessierten, was dem Schiff bevorstand. Sein Sekretär Martin bekam bestimmt keine Gelegenheit, aus solchem Wissen Kapital zu schlagen. Er hatte sich auf Musterrollen, Bestandsmeldungen und all den anderen lästigen Papierkram zu beschränken, der einem Kommandanten das Leben sauer machte. Jetzt verschwand also Pellew, das war eine Katastrophe. Erst heute hatte er mit dem Gedanken gespielt, eines nicht zu fernen Tages könnte ihm vielleicht doch der unvorstellbare Sprung vom Commander oder Korvettenkapitän zum richtigen Kapitän zur See gelingen. Dazu brauchte man aber in jedem Falle die wirksamste Fürsprache, sowohl in der Flotte wie in der Admiralität. Mit Pellews Versetzung hatte er seinen besten Freund in der Flotte verloren, mit Parrys Rücktritt in den Ruhestand den einzigen in der Admiralität - jetzt kannte er dort keinen Menschen mehr. Seine Beförderung zum Commander war ein ganz außergewöhnlicher Glücksfall gewesen. Wurde die Hotspur zeitweilig außer Dienst gestellt, dann lauerten schon dreihundert junge Commander darauf, an seine Stelle zu treten, und hinter jedem stand irgendein einflußreicher Onkel oder Vetter, der ihn nach Kräften unterstützte. Ihm
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