Hornblower 03 - Hornblower auf der Hotspur
aber blühte dann wieder das Los, sich an Land auf Halbsold kümmerlich durchschlagen zu müssen - und das mit Maria, mit Maria und dem Kind. Das war die Kehrseite der Medaille, ihr Anblick war so wenig verlockend wie der ihrer Vorderfront. Wenn er so weiter grübelte, gelang es ihm nie und nimmer, der düsteren Stimmung Herr zu werden, die ihn schon fast zu verschlingen drohte. Dabei hatte er doch Maria eben erst einen Brief geschrieben, auf den er sich etwas zugute halten durfte. Sätze voll froher Erwartung und Vertrauen in die Zukunft. Sätze, aus denen alle Liebe sprach, deren er überhaupt fähig war. Dort am Abendhimmel leuchtete hell die Venus, die Seeluft war köstlich anregend und erfrischend. Nein, diese Welt war gewiß nicht so schlimm, wie ihn seine überreizten Nerven glauben machten. Aber er mußte doch noch eine volle Stunde auf seinem Achterdeck auf und ab schreiten, bis er von dieser Erkenntnis ganz und gar durchdrungen war. Erst als diese Zeit um war, hatte die angenehme monotone Bewegung seine jagenden Gedanken gezügelt. Die Erregung hatte sich gelegt und gesunder Müdigkeit Platz gemacht. Jetzt fiel ihm auch wieder sein Dinner ein, und dabei kam ihm zum Bewußtsein, daß er rasend hungrig war. Zwar hatte er Doughty mehrmals über Deck flitzen sehen, denn so sehr sich Hornblower auch oft in seine Gedanken verlor, bewußt oder unbewußt nahm er dennoch blitzschnell von allem Notiz, was sich an Deck seines Schiffes begab. Jetzt peitschte der Hunger seine Ungeduld, und doch mußte er seine Wanderung noch fortsetzen, bis es ganz und gar Nacht geworden war. Dann erst gab es die ersehnte Unterbrechung. »Ihr Dinner ist bereit, Sir.« Ehrerbietig hatte sich Doughty vor ihm aufgebaut. »Gut, ich komme.«
Hornblower setzte sich an den Tisch im Kartenhaus, Doughty drängte sich in dem engen Raum hinter seinen Stuhl.
»Ich bringe das Essen sofort aus der Kombüse, Sir. Darf ich Ihnen bis dahin etwas Apfelwein einschenken?«
»Wie? Was einschenken?«
Aber Doughty füllte auch schon den Becher aus einem Krug und verschwand. Hornblower kostete bedächtig. Kein Zweifel, das war herrlicher Apfelwein, natürlich und doch verfeinert, von köstlich frischem Geschmack, aber dennoch keineswegs süß.
Nach dem abgestandenen Wasser, das monatelang in Fässern gelagert hatte, war das ein himmlischer Genuß. Er tat zuerst nur zwei kleine Schlucke, dann beugte er den Kopf zurück und ließ den ganzen Inhalt des Bechers mit wahrer Wonne durch die Kehle rinnen. Noch hatte er keine Zeit gehabt, sich zu fragen, wie es zu diesem Wunder gekommen war, als Doughty schon wieder zur Tür hereinschlüpfte. »Vorsicht, Sir, der Teller ist heiß«, sagte er. »Was soll denn das sein?« fragte Hornblower.
»Hummerfrikadellen, Sir«, sagte Doughty und goß Apfelwein nach. Dann wies er mit gewandter Geste auf den hölzernen Napf, den er ebenfalls auf den Tisch gesetzt hatte: »Buttersauce, Sir.«
Das war wirklich eine Mahlzeit, die sich sehen lassen konnte.
Die feinen braunen Frikadellen auf seinem Teller sahen überhaupt nicht nach Hummerfleisch aus. Hornblower goß etwas Sauce darüber und kostete. Es schmeckte ihm wunderbar: Hummerhaschee gebraten. Jetzt hob Doughty den Deckel von der gesprungenen Glasschüssel und enthüllte einen neuen traumhaften Genuß: prachtvolle, goldgelbe neue Kartoffeln. Er bediente sich gierig und hätte sich um ein Haar den Mund daran verbrannt. Nichts schmeckte so herrlich wie die ersten neuen Kartoffeln des Jahres.
»Sie sind mit der Gemüselieferung an Bord gekommen, Sir«, erklärte Doughty. »Ich habe sie zur rechten Zeit sichergestellt.«
Hornblower brauchte nicht erst zu fragen, vor wessen Zugriff er die Kartoffeln gesichert hatte. Er kannte Huffell, den Zahlmeister, nur zu genau und konnte sich denken, daß auch die Herren in der Offiziersmesse gern etwas Gutes aßen.
Hummerfrikadellen mit neuen Kartoffeln und dieser wunderbaren Buttersauce! Er gab sich ganz dem Genuß dieser Köstlichkeiten hin und war entschlossen, nicht daran zu denken, daß das Hartbrot in seinem Brotkorb dort voller Maden war. Er war diese Maden gewohnt, nach dem ersten Monat in See tauchten sie jedes Mal auf - wenn das Hartbrot länger gelagert hatte, wohl auch schon eher. Nein, sagte er sich, eine Made im Hartbrot sollte ihm den Spaß nicht verderben, und führte sich dabei genüßlich einen neuen Bissen Hummer zu Gemüte.
Erst als er wieder nach dem Apfelwein griff, fiel ihm ein zu fragen, wo der denn her
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