Hornblower 04 - Hornblower wird Kommandant
Wechselspiel des Krieges gerade befand, bei der Flotte auftauchte, während man ihn doch zweitausend Meilen weiter östlich vermutete? Nein, nein, so ging es auf keinen Fall. Er mußte sich diese beiden›Lösungen‹seines Problems aus dem Kopf schlagen, denn es hatte sich gezeigt, daß sie keine waren.
So blieb ihm denn nichts anderes übrig, als die Reise befehlsgemäß fortzusetzen - so, als wäre McCullum nichts zugestoßen. Das hieß, daß er die Leitung der Bergungsarbeiten selbst übernehmen mußte, obwohl er so gut wie gar keine Erfahrung darin besaß. Wieder stieg kalte Wut in ihm auf, als er die Nachteile und Schwierigkeiten überdachte, die dieses hirnverbrannte Duell im Gefolge hatte. Ausgerechnet diese beiden, der Dummkopf Eisenbeiß und der eingebildete Polterer McCullum! Wie konnten sie sich herausnehmen, England in seinem weltweiten Kampf gegen Bonaparte Schaden zuzufügen, nur weil ihnen ihre persönlichen Händel so maßlos wichtig schienen. Er selbst hatte doch diesen Eisenbeiß mit seiner unvorstellbaren Querköpfigkeit ertragen gelernt, warum brachte es McCullum nicht ebenso fertig? Und wenn es schon zum Konflikt kommen mußte, warum konnte er dann nicht wenigstens so gut zielen, daß der lächerliche Doktor getroffen wurde, statt daß er sich selbst über den Haufen schießen ließ?
Aber diese rhetorischen Fragen brachten ihn der Lösung der dringenden Probleme um keinen Schritt näher, er mußte seinen Gedanken eine andere Richtung geben, zumal sich jetzt noch eine weitere Überlegung einschlich, die sofort ein quälendes Schuldgefühl in ihm weckte. Hätte er nicht merken müssen, daß es an Bord seines Schiffes zwischen zwei Messemitgliedern böses Blut gab? Er dachte daran, wie leichtfertig er Jones für die Unterbringung McCullums auf dem kleinen, überbemannten Schiff verantwortlich gemacht hatte. Wahrscheinlich waren der Doktor und McCullum einander schon in der Messe auf die Nerven gefallen, daran war kaum zu zweifeln - an Land, beim Wein in irgendeiner Kneipe, war dann die versteckte Feindschaft offen aufgeflammt, so daß es am Ende zum Duell kam. Seine Sache wäre es gewesen, diese Gefahr rechtzeitig zu erkennen und im Keim zu ersticken. Hornblower züchtigte sich im Geist erbarmungslos für diese Nachlässigkeit und wurde im gleichen Augenblick von einem bitteren Gefühl der Selbstverachtung heimgesucht. War er überhaupt fähig, das Kommando über ein Schiff Seiner Majestät zu führen?
Diese Frage wühlte ihn noch mehr auf. Die innere Unsicherheit war nicht länger zu ertragen; er mußte sich selbst den Beweis liefern, daß er wirklich der Mann war, der er sein wollte, und wenn er darüber zerbrach. Darum mußte er das Bergungsunternehmen durchführen, koste es, was es wolle, wenn es nicht anders ging, dann ganz aus eigener Kraft. Er hatte keine Wahl, er mußte.
Das war die Entscheidung. Als sie gefallen war, legte sich alsbald seine Erregung, und er begann fieberhaft, aber dennoch klar zu denken. Natürlich mußte er jetzt jede nur denkbare Maßnahme ergreifen, um den Erfolg zu sichern, nicht die geringste Kleinigkeit durfte dabei vernachlässigt werden.
McCullum hatte lederne Luntenschläuche angefordert, das gab ihm einen Anhalt, wie diese Bergung angegangen werden mußte. Vor allem war McCullum, soviel er wußte, noch nicht tot. Vielleicht wurde er gar wieder - nein, das war wohl doch nicht möglich. Niemand hatte je einen Lungenschuß überlebt Und doch... »Mr. Nash!«
»Sir!« antwortete der Steuermannsmaat der Wache und kam auch schon angerannt.
»Sofort meine Gig. Ich fahre zum Lazarett.« Der Himmel zeigte noch eine letzte Spur von Helligkeit, aber das Wasser rings um das Boot war schwarz wie Tinte und spiegelte in langen Zickzackreihen die Lichter von La Valetta. Die Riemen knarrten im gemessenen Takt der Schläge in den Dollen.
Hornblower widerstand seinem Verlangen, die Männer zu größerer Kraftleistung anzuspornen, sie hätten doch nicht schnell genug rudern können, um seinen unbändigen Drang zum sofortigen Handeln zu befriedigen.
Die Offiziere der Garnison saßen noch in ihrer Messe beim Wein. Der Messeunteroffizier ging auf Hornblowers Verlangen hinein und holte ihm den Wundarzt heraus, einen jüngeren Mann, der glücklicherweise noch nüchtern war. Beim Licht einer Kerze lauschte er aufmerksam auf Hornblowers Fragen.
»Die Kugel traf ihn in die rechte Achselhöhle«, erklärte der Arzt, »das war zu erwarten, da er dem Gegner die Schulter zukehrte und
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