Hornblower 04 - Hornblower wird Kommandant
Anlandgehen.«
Wie vorauszusehen, war das Dinner beim Gouverneur eine ziemlich langweilige Angelegenheit. Glücklicherweise fand Hornblower beim Empfang durch den Adjutanten wenigstens Gelegenheit, das schwierige Problem der Vorstellung auf dessen Schultern abzuwälzen - er selbst kam nämlich beim besten Willen nicht mit der Frage klar, ob Seine Durchlaucht Seiner Exzellenz oder Seine Exzellenz Seiner Durchlaucht vorzustellen war. Er belustigte sich im stillen über das erregte Geflüster Ihrer Exzellenz, als diese den Rang des zweiten Gastes erfuhr. Die Ärmste mußte in aller Eile eine neue Tischordnung machen.
Schließlich saß Hornblower zwischen zwei nicht eben sehr unterhaltsamen Damen, von denen die eine rote Hände hatte, die andere an einer chronisch rinnenden Nase litt. Er gab sich alle Mühe, ein höfliches Gespräch in Gang zu halten, mit den Getränken ging er dabei so vorsichtig um, daß er jedesmal nur die Lippen netzte, wenn die anderen kräftige Schlucke nahmen.
Der Gouverneur trank auf Seine Durchlaucht, den Fürsten von Seitz-Bunau, der junge Fürst brachte mit vollendeter Sicherheit sein Hoch auf den König von Großbritannien aus, wahrscheinlich hatte er die englischen Worte dieses Trinkspruchs zuallererst gelernt, lange ehe er etwas von›Fest hieven‹oder›Los, ihr müde Bande‹wußte. Als sich die Damen zurückgezogen hatten, hörte sich Hornblower aufmerksam an, was Seine Exzellenz zu dem drohenden Einfall Napoleons in Süditalien zu bemerken hatte, und wieviel Aussicht seiner Meinung nach bestand, wenigstens Sizilien vor dem Zugriff des Eroberers zu retten. Nach der Rückkehr in den Salon machte er noch so lange Konversation, wie es die Schicklichkeit gebot, und gab dann dem Fürsten verstohlen das Zeichen zum Aufbruch. Dieser zeigte ihm mit einem lächelnden Blick, daß er verstanden hatte, und erhob sich sogleich von seinem Platz. Es war erstaunlich zu sehen, mit welcher selbstverständlichen Würde dieser Junge beim Abschied die Verbeugungen der Herren und die Hofknickse der Damen entgegennahm - und morgen saß er dann wieder unter seinen Kameraden in der Fähnrichsmesse... Ob er wohl Manns genug war, sich dort durchzusetzen? Wehrte er sich auch tüchtig seiner Haut, wenn er etwa bei der Fleischausgabe mehr Knochen zugeteilt bekam, als recht und billig war?
Die Gig brachte sie im Nu von der Anlegestelle des Gouverneurs zur Atropos zurück. Als Hornblower das Deck betrat, schrillten ihm die Bootsmannsmaatenpfeifen ihren Willkommengruß entgegen; aber ehe er noch die Hand vom Hutrand sinken ließ, sagte ihm schon sein Gefühl, daß hier an Bord inzwischen irgend etwas vorgefallen war. Er warf einen ersten forschenden Blick nach vorn - das ganze Deck leuchtete grade in den wilden gelben und roten Farben, die der Gregale bei Sonnenuntergang an den Himmel zu zaubern pflegte. Nein, mit den Leuten hatte es nichts gegeben, die standen ruhig und friedlich wie immer beieinander. Auch die drei Ceylontaucher kauerten zusammen an der Reling und wahrten den gewohnten Abstand von den anderen. Nur die Offiziere standen mit auffallend bedrückten Mienen zusammen auf dem Achterdeck.
Hornblower faßte einen nach dem anderen scharf und prüfend ins Auge, erst Jones, dann Still, die beiden Leutnants, den Zahlmeister Carslake und endlich Silver, den Steuermannsmaat der Wache. Schließlich trat Jones als der Älteste vor und machte seine Meldung:
»Ich muß melden, Sir, daß...«
»Nun, was denn, Mr. Jones?«
»Daß ein Zweikampf stattgefunden hat.«
Es war toll, was ein Kommandant an bösen Überraschungen zu gewärtigen hatte. Ob unter seinen Leuten eine Seuche ausbrach, ob sich herausstellte, daß die Verbände seines Schiffes von Trockenfäule befallen waren, er mußte auf alles gefaßt sein.
Man konnte Jones vom Gesicht ablesen, daß bei diesem Zweikampf jemand ernstlich zu Schaden gekommen war.
»Wer war daran beteiligt?« fragte Hornblower.
»Der Doktor und Mr. McCullum, Sir.«
Immerhin, ein Arzt ließ sich irgendwo auftreiben, schlimmstenfalls kam man sogar ohne seine Dienste aus.
»Wie war der Ausgang?«
»Mr. McCullum bekam einen Lungenschuß, Sir.«
Gott im Himmel! Das durfte nicht kommen, damit stand sein ganzes Unternehmen auf dem Spiel. Ein Schuß durch die Lunge bedeutete fast mit Sicherheit den Tod des Getroffenen. Was fing er aber an, wenn ihm McCullum starb, den man eigens für diese Aufgabe von Indien hergeholt hatte? Ehe von dort ein Ersatzmann zur Stelle war, vergingen
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