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Hornblower 05 - Der Kapitän

Hornblower 05 - Der Kapitän

Titel: Hornblower 05 - Der Kapitän Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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also das Schicksal erlitten, das der Kommandant für seine eigene Person gefürchtet hatte. Die ihn erschütternde Nachricht gemahnte ihn an seine Pflicht.
    »Ich werde sofort die Verwundeten besuchen«, sagte er, richtete sich dann aber plötzlich auf und sah prüfend seinen Ersten Offizier an. »Wie steht's denn mit Ihnen, Bush? Sie sehen eigentlich nicht so aus, als könnten Sie Dienst tun.«
    »Mir geht's ausgezeichnet, Sir«, widersprach Bush. »Ich lege mich eine Stunde hin, wenn Gerard heraufkommt, mich abzulösen.«
    »Gut, also wie Sie wollen.«
    Drunten im Orlop konnte man an eine Szene aus Dantes Inferno denken. Es war dunkel. Die vier Öllampen, deren flackernder, rötlichgelber Schimmer von den Decksbalken zurückfiel, warfen nur Schatten. Die Luft war erstickend. Zu den normalen Gerüchen der Bilge und der Lasten traten die Ausdünstung zusammengepferchter, kranker Menschen und der Gestank der qualmenden Lampen. Der bittere Pulverdunst, der gestern eingedrungen war, hatte auch noch keine Zeit gefunden, sich wieder zu verziehen. Hitze und Gestank schlugen dem eintretenden Hornblower entgegen, und innerhalb einer Viertelminute war sein Gesicht so naß, als sei es mit Wasser begossen worden, denn die erhitzte Atmosphäre war mit Feuchtigkeit übersättigt.
    Und nun erst der unterschiedliche Lärm! Da waren die üblichen Schiffsgeräusche, das Knacken und Ächzen der Hölzer, das von den Rüsten her weitergeleitete Vibrieren der Takelage, das Anschlagen der See gegen die Bordwand, das Glucksen des Bilgewassers und das monotone Klanken der Pumpen. Alles das wurde dadurch verstärkt, daß das Holz des Schiffes als Resonanzboden wirkte. Dennoch war das nur die Begleitung zu dem innerhalb des Verbandsplatzes herrschenden Lärm. Hier lagen dicht bei dicht fünfundsiebzig verwundete Männer, die stöhnend, schluchzend, schreiend, fluchend und sich erbrechend ihren Schmerzen Luft zu machen suchten. Schwerlich konnten verdammte Seelen inmitten der Hölle eine grausigere Umgebung finden oder qualvoller leiden.
    Hornblower entdeckte Laurie, der tatenlos im Halbdunkel stand. »Gott sei gedankt, daß Sie kommen, Sir«, stöhnte der Mann.
    Der Klang seiner Worte verriet, daß er heilfroh war, von diesem Augenblick an alle Verantwortung auf die Schultern seines Kommandanten abzuwälzen.
    »Kommen Sie mit beiseite und erstatten Sie mir Meldung«, herrschte Hornblower ihn an. Die ganze Angelegenheit war ihm widerwärtig, doch wenn er auch unumschränkter Herrscher an Bord war, durfte er doch nicht, seinen Gefühlen nachgebend, fliehen. Die Arbeit mußte unbedingt geleistet werden, und nun, da Laurie seine Unfähigkeit erwiesen hatte, war er selbst am geeignetsten dazu, mit ihr fertig zu werden. Er näherte sich dem letzten Mann in der Reihe und prallte betroffen zurück. Lady Barbara war dort. Das flackernde Licht beleuchtete das klassische Profil der neben dem Verwundeten Knienden. Mit einem Schwamm wusch sie dem sich krümmenden Mann Gesicht und Hals. Hornblower war peinlich davon berührt, sie auf solche Weise beschäftigt zu sehen. Der Tag, da eine Florence Nightingale aus der Krankenpflege einen auch für Frauen geeigneten Beruf machte, war noch nicht gekommen.
    Kein einigermaßen feinfühliger Mann konnte sich mit dem Gedanken abfinden, eine Frau mit der schmutzigen Arbeit eines Hospitals beschäftigt zu sehen. Höchstens durfte man dulden, daß barmherzige Schwestern dort ihres Seelenheils wegen tätig waren; versoffene alte Weiber mochten anderen Frauen in ihren Geburtsnöten beistehen und sich gelegentlich auch eines Kranken annehmen, die Behandlung von Verwundeten aber war ganz und gar Männerarbeit; und zwar wurde sie von Männern verrichtet, die nichts Besseres verdienten, die ihrer dienstlichen Unfähigkeit oder ihrer schlechten Führung wegen dazu kommandiert wurden wie zum Latrinenreinigen. Hornblower verspürte geradezu Übelkeit, als er Lady Barbara in nächster Nähe der mit Blut, Auswurf und Eiter besudelten schmutzigen Körper gewahrte.
    »Lassen Sie das!« stieß er rauh hervor. »Gehen Sie fort von hier. Gehen Sie an Deck!«
    »Ich habe die Arbeit nun einmal begonnen«, erwiderte Lady Barbara gleichgültig. »Ich lasse sie nicht unvollendet.«
    Ihr Tonfall schloß jede weitere Erörterung aus. Offenbar sprach sie von der Tätigkeit als von etwas Unvermeidlichem; so, als ob sie sich erkältet hätte und warten müßte, bis die Krankheit sich ausgewirkt hatte.
    »Der Herr, der hier die Aufsicht

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