Hornblower 05 - Der Kapitän
nicht, wie ich Ihnen danken soll, Madame.
Jedenfalls ist meine Dankbarkeit so groß wie die irgendeines dieser armen Menschen.«
Lady Barbara zuckte die schmalen Schultern. »Für eine Arbeit, die geleistet werden muß, bedarf es keines Dankes.«
Viele Jahre später sollte ihr herzoglicher Bruder die Worte »Des Königs Regierung muß fortgeführt werden« in genau dem gleichen Tonfall sprechen.
Der den beiden zunächst liegende Mann hob einen verbundenen Arm.
»Drei Hurras für Lady Wellesley«, krächzte er. »Hip... hip...
Hurra!«
Einige Verwundete stimmten ein, aber es war ein trauriger Chor, in den sich das Wimmern und Stöhnen der fiebernden Männer mischte. Lady Barbara hob beschwichtigend die Hand und wandte sich dann wieder an den Kommandanten.
»Frische Luft sollten wir hier unten haben«, sagte sie. »Läßt sich das nicht einrichten? Ich erinnere mich, wie mein Bruder erzählte, daß die Sterblichkeit im Lazarett von Bombay sofort nachließ, als man anfing, den Kranken frische Luft zuzuführen.
Vielleicht könnte man die leichter Verwundeten an Oberdeck schaffen.«
»Ich werde dafür sorgen«, nickte Hornblower. Lady Barbaras Wunsch erhielt kräftigen Nachdruck durch den Gegensatz, den Hornblower beim Betreten des Oberdecks empfand; nach dem stickigen Dunst des Orlops kam ihm die frische Luft des Pazifiks wie Champagner vor. Er gab Befehl, sofort die Windsäcke wieder anzubringen, jene weiten Leinenhüllen, die durch Aufheißen in die Takelage die Aufgabe von Ventilatoren übernahmen. Sie waren, als das Schiff gefechtsklar gemacht wurde, entfernt worden. »Mr. Rayner«, fuhr Hornblower fort, »einigen der Verwundeten würde es sehr guttun, wenn man sie an Oberdeck brächte. Sie müssen sich bei Lady Barbara Wellesley erkundigen, welche dafür in Frage kommen.«
»Lady Barbara Wellesley, Sir?« wiederholte Rayner erstaunt.
Er wußte nichts von den allerjüngsten Geschehnissen. »Sie hörten, was ich sagte!« fuhr ihn Hornblower an. »Aye, aye, Sir«, beeilte sich Rayner zu bestätigen, worauf er aus Furcht, er könne noch mehr sagen, was den Kommandanten erzürnen würde, schleunigst unter Deck verschwand.
So wurde denn an jenem Morgen die Sonntagsmusterung und der Gottesdienst an Bord der Lydia abgehalten, nachdem die Toten bestattet worden waren.
Auf jeder Seite des Oberdecks pendelte eine Reihe von Verwundeten in ihren Hängematten, und von drunten drangen schwach die schrecklichen Laute aus dem Lazarett herauf.
19. Kapitel
Abermals segelte die Lydia an der pazifischen Küste Mittelamerikas entlang. Im Osten glitten die grauen, mit rötlichen Tönungen versehenen Vulkankegel vorüber. Zuweilen konnte man auch den darunter befindlichen grünen Küstenstreifen erkennen. Das Meer war blau, und der Himmel war blau. Fliegende Fische, die eine blitzschnell wieder verschwindende Furche hinter sich ließen, schossen über das Wasser. Doch Tag und Nacht arbeiteten zwanzig Mann an den Pumpen, um die Fregatte schwimmend zu erhalten, und der Rest der Besatzung verwendete jede nicht der eigenen Erholung vorbehaltene Stunde, um das havarierte Schiff instand zu setzen.
Während der beiden Wochen, die bis zur Umschiffung des Kaps Mala vergingen, wurde die Krankenliste wesentlich kleiner. Einige der Leute waren bereits halb genesen; die Abhärtung nach vielen Monaten schweren Seedienstes ließ sie leicht mit Verletzungen fertig werden, die für körperlich schwächere Menschen hätten tödlich sein können. Der Herzschlag und die Erschöpfung hatten das Schiff von der Gegenwart anderer befreit, und nun tat der Brand, jene furchtbare Erkrankung, der zu einer Zeit, da man noch keine Antisepsis kannte, so mancher Verwundete zum Opfer fiel, das Seinige, noch mehr Seeleute von Bord zu bringen. Jeden Morgen gab es die gleiche Zeremonie, wenn zwei, drei oder sechs in Hängematten genähte Bündel über die Seite hinweg in den blauen Ozean glitten.
Galbraith ging diesen Weg. Er hatte den ersten Schock der schweren Verwundung überstanden, er hatte die Folterqualen der Amputation ertragen, als Laurie, den dringenden Vorstellungen der Lady Barbara entsprechend, mit Messer und Säge darangegangen war, die zerquetschten Massen aus Fleisch und Knochen zu beseitigen, die früher einmal menschliche Beine gewesen waren. Blaß und geschwächt lag Galbraith in seiner Koje, doch schien er durchzukommen, so daß sich Laurie sogar gelegentlich seiner ärztlichen Geschicklichkeit rühmte, indem er auf die schönen, glatten
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