Hornblower 06 - An Spaniens Küsten
viel zu wichtige Dinge zu denken hatte, als daß er dem Vorfall Beachtung schenken konnte.
»Boot hält auf uns zu, Sir«, ergänzte Bush seine Meldung.
»Danke«, wiederholte Hornblower, der noch immer gänzlich unbeeindruckt zu sein schien. Bis der Fremde das Schiff erreichte, mochten immerhin noch zehn Minuten vergehen. Daß die Sutherland sein Ziel war, lag auf der Hand. Weshalb wäre das Fischerboot sonst bei ihrem Erscheinen so hastig in See gegangen? Die anderen Offiziere konnten die Gläser darauf richten und sich in laut geäußerten Vermutungen über den Zweck des Besuches ergehen, Hornblower aber hielt es für angemessen, in hoheitsvoller Gelassenheit den unvermeidlichen Anruf zu erwarten. Nur er selbst wußte, daß er heftiges Herzklopfen verspürte. Jetzt tönte eine hohe Stimme über das glitzernde Wasser.
»Lassen Sie beidrehen, Mr. Bush«, befahl Hornblower, worauf er mit betonter Ruhe zur Reling trat, um den Anruf zu erwidern.
Katalanische Worte drangen an sein Ohr. Seine gründlichen spanischen Sprachkenntnisse, die er sich als junger Offizier während einer zweijährigen Kriegsgefangenschaft angeeignet hatte, um den Geist zu beschäftigen und nicht verrückt zu werden, ließen ihn, zumal er etwas Französisch sprach, den Sinn des Anrufs verstehen. Da er aber nicht die katalanische Mundart beherrschte, antwortete er auf spanisch. »Jawohl, dies ist ein britisches Schiff.«
In diesem Augenblick erhob sich jemand da drüben im Boot.
Die Leute an den Riemen hatten zerlumpte Zivilsachen an, aber dieser Mann trug eine schimmernde gelbe Uniform, und an der hohen Mütze wehten weiße Federn.
»Darf ich an Bord kommen?« rief er, sich nun ebenfalls der spanischen Sprache bedienend. »Ich bringe wichtige Neuigkeiten.«
»Sie sind mir sehr willkommen«, erwiderte Hornblower, worauf er sich zu Bush umdrehte. »Ein spanischer Offizier kommt an Bord. Sorgen Sie dafür, daß er gebührend empfangen wird.«
Offensichtlich war der Fremde, der nun das Oberdeck betrat und neugierig umherblickte, während die Bootsmannspfeifen trillerten und die Wache das Gewehr präsentierte, ein Husar. Er trug eine schwarz verbrämte gelbe Attila und gelbe Hosen mit breiten goldenen Streifen. Bis zu den Knien reichten die blitzenden, am oberen Rande mit baumelnden goldenen Quasten verzierten und mit klirrenden Sporen versehenen Stiefel. Ein silbergrauer, mit schwarzem Astrachan gesäumter Dolman hing über seiner einen Schulter. Auf dem Kopf trug er den ebenfalls aus schwarzem Pelz bestehenden Kaipak, dessen Einsatz grau und der mit Straußenfedern und goldenen Schnüren geschmückt war. Das Ende seines krummen Säbels klapperte über die Decksplanken, als der Offizier auf Hornblower zuschritt »Guten Tag, Sir«, sagte er salutierend. »Ich bin Oberst José Gonzales de Villena y Danvila vom Husarenregiment Olivenza Seiner Allerkatholischsten Majestät.«
»Freut mich außerordentlich, Sie kennenzulernen. Kapitän z.
S. Horatio Hornblower, Kommandant Seiner Britannischen Majestät Schiff Sutherland.«
»Wie fließend Euer Exzellenza spanisch sprechen!«
»Euer Exzellenza sind zu gütig. Ich freue mich, daß es mir möglich ist, mich in Spanisch verständlich zu machen, da es mir gestattet, Sie an Bord meines Schiffes zu bewillkommen.«
»Danke verbindlichst. Nur unter Schwierigkeiten fand ich den Weg zu Ihnen. Meine ganze Autorität mußte ich aufbieten, um diese Fischer dazu zu bewegen, zu Ihnen hinauszurudern. Sie fürchteten, die Franzosen könnten dahinterkommen, daß sie mit den Engländern in Verbindung stehen. Sehen Sie nur! Die Kerle streben schon wieder mit aller Macht dem Lande zu!«
»Demnach liegt also derzeit keine französische Besatzung im Ort?«
»Nein, Herr Kapitän.«
Ein seltsamer Ausdruck erschien im Gesicht Villenas, während er diese Worte sprach. Er war ein noch jugendlicher Mann, dessen von Natur helle Haut sehr sonnengebräunt war.
Die »Habsburgerlippe« ließ es als möglich erscheinen, daß er seinen hohen Rang einem kleinen Versehen einer seiner weiblichen Verwandten verdankte. Fest blickten die dunkelbraunen, von schweren Lidern beschatteten Augen den britischen Kommandanten an. Sie schienen die Bitte auszudrücken, keine weiteren Fragen der bisherigen Art zu stellen, aber Hornblower achtete nicht darauf, da er viel zu begierig nach militärischen Nachrichten war. »Also befinden sich spanische Truppen dort?«
»Nein, Herr Kapitän.«
»Aber Ihr Regiment, Herr Oberst?«
»Ist nicht
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