Hornblower 06 - An Spaniens Küsten
anwesend«, sagte Villena, um dann hastig fortzufahren: »Ich habe Ihnen mitzuteilen, Herr Kapitän, daß eine französische Kolonne aller Waffen - es handelt sich allerdings um Italiener - kaum drei Leguas nördlich von hier auf der Küstenstraße marschiert.«
»Donnerwetter!« platzte Hornblower heraus. Das war gerade das, was er erhofft hatte.
»Die Spitze erreichte gestern abend Malgret. Die Divisionen Pino und Licchi sind's. Ihre Gesamtstärke beträgt etwa zehntausend Mann, und sie wollen nach Barcelona.«
»Woher wissen Sie das?«
»Als Offizier der leichten Kavallerie ist es meine Pflicht, derlei in Erfahrung zu bringen«, erwiderte Villena mit Betonung.
Hornblower überlegte. Wie ihm bekannt war, marschierten die Armeen Bonapartes seit drei Jahren kreuz und quer durch Katalonien. In unzähligen Gefechten waren die Spanier geschlagen worden, ihre Festungen hatten sich nach heldenmütiger Gegenwehr ergeben müssen, und dennoch waren die Franzosen nach dem ersten verräterischen Einfall in die Provinz der Unterwerfung des Landes nicht um einen Schritt nähergekommen. Dabei hatten die Katalanen in offenem Felde nicht einmal den zweitklassigen Truppen Bonapartes widerstehen können, die der Korse diesseits der Pyrenäen einsetzte. Dessenungeachtet gaben sie den erbitterten Widerstand nicht auf. Sie stellten immer wieder neue Truppen in den zeitweilig nicht vom Feinde besetzten Gebieten auf und ermüdeten die Eindringlinge dadurch, daß sie sie zu unaufhörlichen Märschen und Gegenmärschen zwangen. Das alles erklärte indessen noch nicht die Anwesenheit eines Husarenobersten, der sich offenbar ganz allein im Herzen der Provinz Barcelona befand, die man fest in der Gewalt der Franzosen glaubte.
»Also wie kommen Sie hierher?« fragte Hornblower scharf.
»In Ausführung meiner Pflichten«, lautete die etwas hochmütig klingende Antwort. Offenbar gedachte Villena nicht, sich seiner Würde etwas zu vergeben.
»Zu meinem Bedauern vermag ich das immer noch nicht zu verstehen, Don José. Wo befindet sich Ihr Regiment?«
»Herr Kapitän...«
»Wo ist es?«
»Ich weiß es nicht.«
Alle Munterkeit war wie mit einem Schlage aus dem Gesichtsausdruck des jugendlichen Husarenoffiziers verschwunden. Mit großen, bittenden Augen sah er Hornblower an, ab er seine Schande eingestehen mußte.
»Wo sahen Sie es zuletzt?«
»Bei Tordera. Wir... wir hatten ein Gefecht mit den Truppen Pinos.«
»Und Sie wurden geschlagen?«
»Ja. Gestern war es. Pino befand sich auf dem Rückmarsch von Gerona, und wir kamen von den Bergen herab, ihm den Weg zu verlegen. Seine Kürassiere warfen uns jedoch über den Haufen, so daß wir zersprengt wurden. Mein Pferd verendete in Arens de Mar da drüben.«
Die wenigen Worte ließen Hornblower den ganzen Vorgang begreifen. Er sah im Geiste die undisziplinierten spanischen Banden vor sich, die rücksichtslos durchgeführten Attacken der Kürassiere und die hemmungslose Flucht der spanischen Heerestrümmer. Im weiten Umkreise gab es heute Flüchtlinge in allen Dörfern. Villena hatte sein Pferd zuschanden geritten, und da er am besten beritten gewesen war, kam er am weitesten.
Vielleicht hätte er sich noch jetzt auf der Flucht befunden, wenn das Pferd nicht tot unter ihm zusammengebrochen wäre. Das Zusammenziehen von zehntausend Mann hatte die kleineren Ortschaften von Truppen entblößt. Darauf war es zurückzuführen, daß Villena hatte entkommen können, wenn er sich jetzt auch zwischen den französischitalienischen Feldtruppen und der feindlichen Basis Barcelona befand.
Nun da Hornblower das erfahren hatte, was ihn interessierte, war es unnötig, noch länger bei der Schilderung von Villenas Unglück zu verweilen. Hornblower wünschte sogar, ihn aufzumuntern, da er sich dann mehr von der Mitwirkung des Spaniers versprechen durfte.
»Die Niederlage ist etwas, mit der jeder Soldat früher oder später zu rechnen hat«, sagte er liebenswürdig. »Lassen Sie uns hoffen, daß wir schon heute Vergeltung für den gestrigen Tag üben können.«
»Es gibt mehr zu rächen als den gestrigen Tag«, murmelte Villena.
Er griff in die Brusttasche seiner Attila und entnahm ihr ein Blatt Papier, das er entfaltete und Hornblower reichte. Der Kommandant der Sutherland erkannte, daß es sich um einen amtlichen Erlaß handelte. Schnell überflog er die Zeilen. Da das Dokument in katalanischer Sprache abgefaßt war, verstand er nicht alles.
»Wir, Luciano Gaetano Pino, Ritter der Ehrenlegion, Ritter
Weitere Kostenlose Bücher