Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hornblower 07 - Unter wehender Flagge

Hornblower 07 - Unter wehender Flagge

Titel: Hornblower 07 - Unter wehender Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
Vom Netzwerk:
richtig...«
    Hornblower musste die Fragen des Arztes und Bushs Antworten übersetzen, was ihm einigermaßen schwer fiel. Bush zeigte die Zunge, ließ sich den Puls fühlen und die Temperatur durch einen Griff unter das Hemd schätzen.
    »So«, meinte der kleine Franzose. »Und nun wollen wir uns einmal den Stumpf besehen. Wollen Sie mir bitte mit der Kerze leuchten, Sir?«
    Er streifte die Decken zurück, wodurch zunächst der den Stumpf schützende kleine Korb zum Vorschein kam. Nachdem er diesen auf den Boden gestellt hatte, begann er den Verband zu öffnen.
    »Wollen Sie ihm bitte sagen, Sir«, wandte sich Bush an seinen Kommandanten, »dass der nicht vorhandene Fuß scheußlich kitzelt und ich nicht weiß, wie ich ihn kratzen soll?«
    Die Übersetzung stellte höchste Anforderungen an Hornblowers Sprachkenntnisse, aber der Wundarzt hörte teilnahmsvoll zu.
    »Das ist durchaus nicht außergewöhnlich«, erklärte er. »Das Jucken wird später wieder ganz von allein aufhören. Aha, da haben wir den Stumpf... einen wunderschönen, einen entzückenden Stumpf.«
    Hornblower, der sich einigen Zwang antun musste, um das zu betrachten, was ihn ungefähr an das Knochenende eines Hammelkoteletts erinnerte, sah, daß die unregelmäßigen Fleischfalten in zwei halb verheilte Wunden ausliefen, aus denen zwei Enden schwarzen Fadens hervorhingen.
    »Wenn Monsieur le Lieutenant wieder zu gehen beginnt«, hörte er den Franzosen sagen, »so wird ihm das reichliche Fleischpolster zugute kommen. Dadurch wird das Scheuern des Stumpfendes verhindert...«
    »Sehr richtig«, unterbrach ihn Hornblower, der sein Unbehagen niederkämpfen musste.
    »Ein vorzügliches Stück Arbeit«, fuhr der Arzt fort.
    »Hoffentlich heilt es in normaler Weise, und wir bekommen keinen Wundbrand. In diesem Stadium muss sich der Arzt hinsichtlich der Diagnose in erster Linie auf seine Nase verlassen.«
    Wie um seinen Worten Nachdruck zu geben, schnupperte er an den Binden und am Beinstumpf.
    »Riechen Sie, Monsieur«, lächelte er und hielt den Verband unter Hornblowers Nase. Der Kapitän nahm nur einen ganz leicht fauligen Geruch wahr.
    »Wundervoll, nicht wahr? Eine schöne gesunde Wunde, und dazu deuten alle Anzeichen darauf hin, daß die Ligaturen bald entfernt werden können.«
    Hornblower begriff jetzt, daß jene beiden schwarzen Fäden an den Enden der beiden Hauptarterien befestigt waren. Wenn die Zersetzung drinnen vollkommen war, ließen sie sich herausziehen. Das Ganze war gewissermaßen ein Wettrennen zwischen dem Abfaulen der Arterienenden und dem Angriff des Wundbrandes.
    »Ich will mal versuchen, ob die Ligaturen schon frei sind.
    Bereiten Sie Ihren Kameraden darauf vor, daß ich ihm etwas weh tun werde.«
    Hornblower sah Bush an, um ihm das Gehörte zu vermitteln, und war betroffen davon, daß der Verwundete das Gesicht verzerrte.
    »Ich weiß«, stieß er hervor. »Ich weiß, was er vorhat...Sir.«
    Das Wörtchen »Sir« hinkte hinter den anderen her. Es war der klarste Beweis dafür, daß Bush große Besorgnis empfand. Beide Hände krallte er in die Bettdecke; er biss die Zähne zusammen und schloss die Augen.
    »Fertig«, sagte er zwischen den Zähnen hervor.
    Ziemlich fest zog der Wundarzt an dem einen Faden. Bush krümmte sich etwas. Dann kam der andere an die Reihe, was dem Gemarterten ein dumpfes Stöhnen entlockte.
    »Beinahe frei«, verkündete der Franzose. »Bald wird Ihr Kamerad wieder wohlauf sein. Nun wollen wir den Verband erneuern. So... und so.« Seine rundlichen, aber geschickten Finger wickelten den Stumpf von neuen ein. Dann kam das Weidenkörbchen darüber und schließlich die Bettdecke.
    »Ich danke Ihnen, meine Herren«, sagte der Arzt. Er stand auf und rieb sich die Hände. »Morgen früh komme ich wieder.«
    »Wollen Sie nicht lieber Platz nehmen«, tönte Browns Stimme wie aus unermesslicher Ferne an Hornblowers Ohr, nachdem sich der Besucher entfernt hatte. Erst allmählich schwand der graue Nebel von Hornblowers Augen. Bush lag auf dem Rücken und versuchte zu lächeln, aber Browns schlichtes und ehrliches Gesicht drückte lebhafte Besorgnis aus.
    »Ungefähr eine Minute lang sahen Sie sehr elend aus, Sir. Sie werden wohl hungrig sein, nehme ich an, denn seit dem Frühstück haben Sie ja nichts Rechtes in den Magen bekommen.«
    Taktvoll war es von Brown, daß er des Kommandanten Schwäche dem Hunger zuschrieb, dem alles Fleisch unterworfen sein kann, und daß er nicht auf den Anblick der Wunden und der Schmerzen

Weitere Kostenlose Bücher