Hornblower 07 - Unter wehender Flagge
Hornblowers Mantelsack bereit. Der Kutscher zeigte ihm, wie er ihn in dem Kasten verpacken konnte. Dann öffnete ein Gendarm die andere Tür und wartete darauf, daß Hornblower einsteigen werde. Der Gefangene warf einen letzten Blick auf die hoch emporragenden Festungswälle.
Noch vor knapp einer halben Stunde war er dort oben mit seinen Zweifeln umhergegangen. Nun, zum wenigsten war jetzt einer dieser Zweifel behoben. Spätestens in vierzehn Tagen würde alles erledigt sein, nachdem er zuvor im Festungsgraben von Vincennes in die Gewehrmündungen des Hinrichtungskommandos geblickt hatte. Eine Welle der Furcht ging über ihn und zerstörte das beinahe an Freude grenzende Gefühl, das er im ersten Augenblick empfunden hatte. Er wollte sich nicht nach Paris verschleppen und dort erschießen lassen; er wollte sich dem widersetzen. Dann aber fiel es ihm ein, daß ein solcher Widerstand nicht nur sinnlos, sondern obendrein unwürdig sein würde, und so zwang er sich dazu, in die Kutsche zu steigen. Hoffentlich hatte niemand sein Zögern bemerkt.
Eine Handbewegung des Sergeanten ließ Brown dem Beispiel seines Kommandanten folgen. Sein Blick bat um Entschuldigung dafür, daß er sich zu den Offizieren setzte.
Caillard bestieg ein großes schwarzes Pferd, ein lebhaftes, aber nervöses Tier, das auf die Kandare biss und ungeduldig auf das Pflaster schlug. Sobald der Oberst im Sattel saß, erteilte er einen kurzen Befehl; die Pferde zogen an. Der Wagen holperte und schwankte über das Pflaster, rollte zum Tor hinaus und zu der Landstrasse hinunter, die sich unterhalb der Kanonen der Festung dahinwand. Die berittenen Gendarmen umgaben den Wagen, eine Peitsche knallte, und der Zug setzte sich in langsamen Reisetrab, während die Metallbeschläge der Geschirre klirrten. Längere Zeit vernahm man kaum etwas anderes als das Klappern der Hufe und das Knirschen des Sattelzeugs.
Gern hätte Hornblower nach dreiwöchiger Gefangenschaft die vorübergleitenden Häuser des dorfähnlichen Fleckens Rosas betrachtet, aber zunächst musste er sich um seinen verwundeten Kameraden kümmern.
»Wie geht's eigentlich, Bush?« fragte er, indem er sich über ihn beugte.
»Danke; sehr gut, Sir.«
Das Sonnenlicht flutete jetzt zu den Fenstern der Kutsche herein, und die Baumreihe, an der man entlang fuhr, warf flackernde Schatten über Bushs Züge. Fieber und Blutverlust hatten die Haut über die Knochen des sonst so zerfurcht aussehenden Gesichts gespannt, so daß es einen unnatürlich jugendlichen Eindruck machte. Im Gegensatz zu dem Mahagonibraun, an das Hornblower gewöhnt war, sah Bush sehr bleich aus. Hornblower glaubte sein Gesicht schmerzvoll zucken zu sehen, während die Kutsche über den abscheulich schlechten Weg schwankte.
»Kann ich irgend etwas für Sie tun?« fragte er, wobei er sich bemühte, die eigene Stimme nicht hoffnungslos klingen zu lassen.
»Nein, danke, Sir.«
»Versuchen Sie zu schlafen«, riet Hornblower.
Bushs auf der Decke liegende Hand näherte sich zuckend der seinigen. Er nahm sie und fühlte einen gelinden Druck. Während einiger kurzer Sekunden streichelte Bush schwach die Rechte des Kommandanten, als gehöre sie einer Frau. Ein Lächeln glitt über das abgespannte Gesicht mit den geschlossenen Augen.
Nach all den Jahren gemeinsam verlebter Dienstzeit war dies das erste Zeichen wechselseitiger Zuneigung. Bush drehte den Kopf zur Seite und lag nun ganz still. Hornblower aber wagte nicht, sich zu rühren, aus Furcht, er könnte ihn stören.
Die Pferde waren in Schritt verfallen. In langer Steigung musste die Strasse die Basis der Halbinsel von Kap Creus überschreiten. Aber selbst bei diesem langsamen Tempo schwankte und schlingerte der Wagen ganz entsetzlich. Die Strasse musste gänzlich verwahrlost sein. Der harte Aufschlag der Hufe verriet, daß der Boden felsig war, und aus dem unregelmäßigen Klang ging hervor, daß die Pferde behutsam ihren Weg suchen mussten. Im Rahmen der Fenster konnte Hornblower die Gendarmen in ihren blau und roten Uniformen sehen. daß man den Transport von fünfzig Bewaffneten begleiten ließ, deutete weniger auf die politische Wichtigkeit der Gefangenen, als darauf, daß man selbst hier, kaum zwanzig Meilen von der französischen Grenze entfernt, nicht vor Überfällen der Guerilleros sicher war, von denen es fast auf jedem unzugänglichen Berggipfel kleinere Abteilungen gab.
So bestand auch immerhin einige Aussicht dafür, daß Claras oder Rovira mit ihren tausend Mann
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