Hornblower 08 - Der Kommodore
Mound?« sagte Montgomery. »Sie sind der Älteste.«
»Es war doch der Kommodore und nicht wir«, sagte Mound immer noch mit niedergeschlagenen Augen. »Er hat alles gemacht.«
»Richtig!« stimmte ihm Freeman zu und warf seine schwarzen Zigeunerlocken zurück.
Es wird Zeit, das Gesprächsthema zu wechseln, dachte Hornblower bei sich. Nach diesem Austausch von Glückwünschen war sonst eine unangenehme Stockung der Unterhaltung unvermeidlich.
»Wie wäre es mit einem Lied, Mr. Freeman. Wir wissen alle nur vom Hörensagen, daß Sie ein großer Sänger sind. Geben Sie uns einmal eine Probe davon.«
Was Hornblower nicht sagte, war, daß seine Kenntnis über Freemans Talent von einem der jüngeren Lords der Admiralität stammte, vor allem aber verheimlichte er, daß er selbst mit der Gesangskunst überhaupt nichts anzufangen wußte. Die anderen waren nun einmal seltsamerweise auf die Musik versessen, da war es schon das beste, wenn man ihnen ihr kindisches Vergnügen ließ.
Freeman dachte gar nicht daran, sich in Szene zu setzen, als er sich nun anschickte, zu beginnen. Er hob einfach den Kopf, öffnete den Mund und sang: »Wann immer ich in Chloes Augen schau', erblick' ich Meergeleucht und lichtes Himmelsblau.«
Es war doch etwas Eigenartiges um die Musik. Da führte dieser Freeman ein offenbar interessantes und auch schwieriges Kunststück vor, mit dem er den anderen (Hornblower blickte sie verstohlen an) entschieden eine Freude bereitete. Dabei bestand seine ganze Tätigkeit darin, auf verschiedene Art zu quieken und zu brummen und dabei die Worte willkürlich in die Länge zu ziehen - und was für törichtes Zeug! Zuletzt gab Hornblower wieder einmal, zum tausendsten Male in seinem Leben, den Versuch auf, vielleicht doch noch zu ergründen, was es mit dieser Musik auf sich hatte, in die andere Menschen so vernarrt waren. Wie immer sagte er sich, daß ein solches Unterfangen für ihn ebenso sinnlos war, als wenn sich ein Blinder darum bemühte, eine Vorstellung von der Farbe zu gewinnen. »Chloe, ich liebe dich, nur diiich allein.«
Freemans Lied war verklungen, und alle gaben ihren begeisterten Beifall kund, indem sie mit den Fäusten auf den Tisch donnerten.
»Ein sehr schönes Lied, und Sie haben es ausgezeichnet gesungen«, sagte Hornblower.
Montgomery versuchte, sich bemerkbar zu machen.
»Gestatten Sie, daß ich mich verabschiede, Sir?« sagte er.
»Ich habe Mittelwache.«
Das war für alle das Zeichen zum Aufbruch. Die drei Leutnants mußten auf ihre Schiffe zurück, Bush wollte einen Rundgang an Oberdeck machen, und die beiden Fähnriche beeilten sich, in richtiger Würdigung ihrer bescheidenen Rolle, für die Einladung zu danken und gleichfalls zu verschwinden.
Das war eine gelungene Einladung, dachte Hornblower, als er ihnen zum Abschied die Hand drückte: gutes Essen, angeregte Unterhaltung und rechtzeitiger Schluß. Er trat auf die Heckgalerie hinaus und nahm sich dabei sorgfältig in acht, nicht mit dem Kopf an die niederen Decksbalken zu stoßen. Es war jetzt um sechs Uhr abends immer noch heller Tag, die Sonne stand noch ein gutes Stück über der Kimm, sie schien genau von achtern in die Galerie, und gerade unter ihr lag als schwacher dunkler Schatten auf dem Horizont die Insel Bornholm. Mit angeholter Großschot, so daß das Großsegel stand wie ein Brett, passierte dicht unter ihm der Kutter, der hart am Wind das Heck der Nonsuch rundete, um die Leutnants auf ihre Schiffe zurückzubringen. Der Wind stand jetzt wieder aus Nordwest.
Drüben auf dem Achterdeck des Kutters trieben die drei jungen Offiziere ihren Schabernack, bis plötzlich einer von ihnen den Kommodore auf seiner Heckgalerie stehen sah. Da fuhren sie alle drei zusammen und grüßten ihn in militärischer Haltung.
Hornblower mußte über sich selbst lächeln - daß ihm diese Jungen da so ans Herz wachsen konnten! Dann wandte er sich in die Kajüte zurück, er wollte sie von dem Zwang befreien, unter dem sie standen, solange sie unter seinen Augen waren. Drinnen wartete Braun auf ihn.
»Ich habe die Zeitungen durchgelesen, Sir«, sagte er. Die Lotus hatte am Nachmittag ein preußisches Fischerboot angehalten, den Fang beschlagnahmt und die an Bord befindlichen Zeitungen mitgenommen. Dann hatte sie das Fahrzeug wieder entlassen. »Nun?«
»Dies hier ist die Königsberger Hartungsche Zeitung, Sir, sie steht natürlich unter französischer Zensur. Die Titelseite ist ausschließlich der Dresdener Zusammenkunft
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