Hornblower 08 - Der Kommodore
gewidmet.
Bonaparte hat dort sieben Könige und einundzwanzig souveräne Fürsten um sich versammelt.«
»Sieben Könige?«
»Ja, die Könige von Holland, Neapel, Bayern, Württemberg, Westfalen, Sachsen und Preußen, Sir«, las Braun ab, »dann die Großherzöge von...«
»Den Rest können wir uns schenken«, unterbrach ihn Hornblower. Er warf selbst einen Blick in die zerfetzten Seiten des Blattes. Was war doch dieses Deutsch für eine barbarische Sprache! Das mußte er jedesmal denken, wenn er es gedruckt vor sich sah.
Aber was führte Bonaparte im Schild? Offenbar wollte er irgendwem Angst einjagen. England konnte es nicht gut sein, denn das trotzte seinem Zorn und seiner Macht nun schon seit einem Dutzend von Jahren, ohne mit der Wimper zu zucken.
Vielleicht galt seine Einschüchterungspolitik nur den eigenen Untertanen, all den Völkern Westeuropas, die er schon mit Waffengewalt unterworfen hatte. Weitaus am nächsten lag jedoch die Annahme, daß er damit den Zaren von Rußland schrecken wollte. Rußland hatte wirklich allen Anlaß, sich gegen die ständigen Übergriffe seines unruhigen Nachbarn widerspenstig zu zeigen, da mochte diese unerhörte Machtentfaltung Bonapartes sehr wohl den Zweck haben, die aufkeimende Feindseligkeit in der Angst vor der drohenden Übermacht zu ersticken. »Steht da auch etwas über Truppenbewegungen?« fragte Hornblower. »Jawohl, Sir. Es überrascht mich, daß sie so offen gemeldet werden. Die kaiserliche Garde ist in Dresden. Dann ist noch das erste, das zweite und« - Braun blätterte um - »das neunte Armeekorps erwähnt. Sie sind in Preußen - Hauptquartier Danzig - und in Warschau.«
»Neun Armeekorps«, überlegte Hornblower, »das werden zusammen 300 000 Mann sein -.«
»Da steht etwas über Murats Reservekavallerie:›Sie ist 40 000
Mann stark und durchweg hervorragend beritten und ausgerüstet‹. Bonaparte hat sie besichtigt.«
Offenbar wurde zur Zeit an der Grenze zwischen dem Herrschaftsbereich Bonapartes und Rußland eine riesige Truppenmasse angesammelt. Auch die preußische und die österreichische Armee standen ja unter Bonapartes Befehl. Eine halbe Million - vielleicht 600 000 Mann! Solche Zahlen überstiegen jede Vorstellungskraft. Eine wahre Flut von Menschen staute sich hier im östlichen Europa. Wenn sich Rußland durch diese gewaltige Drohung nicht einschüchtern ließ, dann konnte man sich wirklich kaum vorstellen, wie es diesem Massenansturm widerstehen konnte. Das Schicksal Rußlands schien besiegelt, es blieb ihm nur die Wahl zwischen Unterwerfung oder Vernichtung. Noch hatte sich keine Festlandsmacht mit Erfolg gegen Bonaparte zur Wehr gesetzt, jede einzelne von ihnen hatte die brutale Gewalt seines Angriffs erfahren müssen. England allein leistete ihm Widerstand, und Spanien kämpfte unerschrocken weiter gegen ihn, obgleich Napoleons Armeen jedes Dorf, jedes Tal der unglücklichen Halbinsel verwüsteten. Und doch kam Hornblower nicht über seine Zweifel hinweg. Was gewann denn Bonaparte, wenn er Rußland niederwarf? Stand dieser Gewinn in irgendeinem Verhältnis zu dem riesenhaften Aufwand, den das Unternehmen kostete, ja selbst zu dem geringen Risiko, das er dabei lief? Man sollte doch glauben, daß Bonaparte für seine Soldaten und sein Geld eine bessere Verwendung hätte. Nein, wahrscheinlich kam es eben doch nicht zum Krieg. Rußland gab sicher nach, und dann, ja dann stand England ganz allein gegen dieses Europa, das nun von einem Ende bis zum anderen in der Gewalt des Tyrannen war. Und doch...
»Dies hier ist die Warschauer Zeitung, Sir«, fuhr Braun fort.
»Obgleich sie polnisch geschrieben ist, bringt sie den offiziellen französischen Standpunkt sogar noch etwas deutlicher zum Ausdruck als das andere Blatt. Hier ist zum Beispiel ein längerer Artikel über Rußland. Darin stehen Sätze über die ›Bedrohung Europas durch die Kosaken‹. Alexander wird der›barbarische Beherrscher eines barbarischen Volkes‹und der›Nachfolger Dschingis Khans‹genannt. Weiter heißt es darin, St. Petersburg sei›der Brennpunkt aller Bestrebungen, die in Europa auf Anarchie abzielten‹-›eine Bedrohung des Weltfriedens‹-›der grimmigste Feind aller Segnungen, die das französische Volk der Welt gebracht habe.‹ «
»Und das alles wird mit Bonapartes Einverständnis gedruckt«, bemerkte Hornblower halb zu sich selbst. Aber Braun war noch immer in seinen Artikel vertieft. » ›Der unersättliche Räuber Finnlands‹ «, las Braun weiter
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