Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hornblower 09 - Lord Hornblower

Hornblower 09 - Lord Hornblower

Titel: Hornblower 09 - Lord Hornblower Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
Vom Netzwerk:
niederschmetternd.
    »Wie konnte denn das geschehen?« fragte Hornblower, weniger aus Neugierde als um Zeit zu gewinnen.
    Der Graf breitete die feinen Hände in hoffnungsloser Geste aus. »Es fiel kein einziger Schuß«, sagte er, »die Armee ist en masse zu ihm übergelaufen. Ney, Labedojere, Soult, sie alle haben den König verraten. Und Bonaparte raste in vierzehn Tagen von der Mittelmeerküste nach Paris. Das wäre sogar im sechsspännigen Wagen eine schnelle Reise.«
    »Aber das Volk will doch nichts von ihm wissen«, wandte Hornblower ein. »Das ist uns doch allen genau bekannt.«
    »Die Wünsche des Volkes haben gegen die der Armee kein Gewicht«, sagte der Graf. »Mit der Nachricht selbst kamen auch die ersten Erlasse des Usurpators heraus. Die Jahrgänge 1815 und 16 werden aufgerufen. Die königlichen Leibregimenter werden entlassen, die Kaiserliche Garde wird wieder aufgestellt.
    Bonaparte ist bereit, den Kampf gegen Europa von neuem aufzunehmen.«
    Hornblower sah sich schon wieder an Deck eines Schiffes stehen, wie immer beladen mit drückender Verantwortung, umgeben von Gefahren, einsam und ohne Freund. Eine trostlose Aussicht!
    Ein leises Klopfen verkündete den Eintritt Mariens. Auch sie war noch im Neglige, ihr herrliches Haar fiel ihr weit über die Schultern herab. »Hast du die Nachricht gehört, Liebling?« fragte der Graf. Er äußerte sich weder zu ihrem Eintreten noch zu ihrem Aufzug. »Ja«, sagte Marie. »Wir sind in Gefahr.«
    »Gewiß«, sagte der Graf, »wir sind alle in Gefahr.«
    Die Nachricht selbst hatte Hornblower so entsetzt, daß er sich bis jetzt noch nicht Zeit genommen hatte, darüber nachzudenken, welche persönlichen Folgen sich für ihn aus der neuen Lage ergaben. Als englischer Seeoffizier wurde er natürlich sofort verhaftet und gefangengesetzt. Aber nicht nur das. Bonaparte hatte ja schon seit Jahren die Absicht, ihn wegen Seeräuberei gerichtlich zu belangen und erschießen zu lassen.
    Jetzt würde er diese Absicht zweifellos ausführen. Tyrannen hatten in solchen Dingen immer ein gutes Gedächtnis. Und der Graf? Und Marie? »Bonaparte weiß, daß Sie mir bei der Flucht geholfen haben«, sagte Hornblower. »Das wird er Ihnen nie verzeihen.«
    »Wenn ich ihm in die Hände falle, werde ich an die Wand gestellt«, sagte der Graf. Über Marie sprach er nicht, er warf ihr nur einen stummen Blick zu. Bonaparte stellte sie zweifellos genauso an die Wand wie ihn selbst.
    »Wir müssen von hier fort«, sagte Hornblower, »das flache Land kann noch nicht fest in der Hand Bonapartes sein. Mit schnellen Pferden ist es uns möglich, die Küste zu erreichen.«
    Er griff schon nach der Bettdecke, um sie beiseite zu werfen, hielt aber im letzten Augenblick inne, weil er sich auf Maries Gegenwart besann. »Ich bin in zehn Minuten fertig«, sagte Marie.
    Als sich die Tür hinter ihr und dem Grafen geschlossen hatte, war Hornblower mit einem Satz aus dem Bett und rief zugleich nach Brown. Der Wandel vom verliebten Genießer zum Mann der Tat vollzog sich in Sekundenschnelle. Während er sich noch das Nachthemd vom Leibe riß, hatte er im Geist schon die Karte von Frankreich vor Augen, stellte er sich bereits den Verlauf der Straßen, die Lage der Häfen vor. In einem zweitägigen Ritt über die Berge konnten sie La Rochelle erreichen. Er fuhr hastig in die Hosen. Der Graf trug einen hochangesehenen Namen.
    Niemand würde es wagen, ihn oder seine Begleitung ohne ausdrücklichen Befehl von Paris zu verhaften. Mit Selbstsicherheit und zuversichtlichem Auftreten gelang es ihnen bestimmt, unangefochten durchzukommen. Im Geheimfach seines Koffers befanden sich außerdem zweihundert Napoleondors, der Graf mochte ihrer noch mehr besitzen. Das reichte für jede Bestechung. Sie konnten damit einen Fischer bezahlen, daß er sie auf See hinausbrachte; wenn das nicht ging, dann mußten sie eben ein Fischerfahrzeug stehlen.
    Es war gewiß erniedrigend, beim ersten Auftauchen Bonapartes das Weite suchen zu müssen wie ein verängstigter Hase, so etwas vertrug sich auch keineswegs mit der Würde eines Pairs von England und eines Kommodore der britischen Flotte. Aber seine vornehmste Pflicht bestand unter den vorliegenden Umständen darin, der englischen Heimat sein Leben und seine nützlichen Dienste zu erhalten. Eine dumpfe Wut gegen den ewigen Friedensstörer Bonaparte stieg in ihm auf, vermochte es aber doch nicht, ihn ganz zu übermannen.
    Eigentlich war seine Empfindung gegen jenen Mann eher Zorn als Wut

Weitere Kostenlose Bücher