Hornblower 09 - Lord Hornblower
das französische Gesetz bestand. König Ludwig XVIII. und seine Kammer hatten ihre erklärte Absicht, die Rechtsgültigkeit einer Ehe von der kirchlichen Trauung abhängig zu machen, noch nicht verwirklicht. Dennoch sollte auch die Kirche den Bund der beiden segnen, natürlich mit den Vorbehalten, auf denen sie bei gemischten Ehen immer bestand. Annette sollte ohne Unterlaß darauf bedacht sein, Brown zu ihrem Glauben zu bekehren, und ihrer beider Kinder sollten im katholischen Glauben erzogen werden. Brown nickte nur, als ihm diese Bedingungen eröffnet wurden, religiöse Skrupel waren offenbar eine leichte Last für seine breiten Schultern.
Die guten Leute in Smallbridge hatten schon erheblichen Ärgernis daran genommen, daß sie Barbaras Negerzofe in ihrer Gemeinde aufnehmen mußten, und hatten mit höchster Mißbilligung den Kopf geschüttelt, als sie vernahmen, daß Hornblower und Barbara der heidnischen Sitte frönten, täglich ein Bad zu nehmen. Was sie vollends dazu sagen würden, wenn nun gar ein papistisches Frauenzimmer auftauchte und eine papistische Familie in die Welt setzte, das konnte sich Hornblower mit dem besten Willen nicht vorstellen. Wie, dachte er da nicht schon wieder an Smallbridge? Er führte ja in der Tat ein richtiges Doppelleben. Mit sehr gemischten Gefühlen sah er den Grafen an, dessen Gastfreundschaft er doch so schmählich mißbrauchte. Dabei fiel es ihm unendlich schwer, das Liebesverhältnis zwischen sich und Marie als etwas Schuldhaftes zu empfinden. Marie war ohne Schuld, soviel stand fest. Und er? Konnte er schuldig werden, wenn er unwiderstehlichem Zwang unterlag? War er etwa damals schuldig, als ihn kaum eine Meile von dem Punkt, an dem er jetzt stand, die Strömung der Loire wehrlos dahinwirbelte? Sein Blick wanderte zu Marie, und sogleich fiel ihn seine Leidenschaft wieder an und nahm seine Sinne gefangen wie je zuvor. Erschrocken fuhr er zusammen, als ihm endlich zu Bewußtsein kam, daß ihn der Graf mit seiner freundlichen Stimme ansprach.
»'Oratio«, fragte der Graf, »was meinen Sie, wollen wir bei der Hochzeit auch tanzen?«
Die Hochzeit wurde ein richtiges Fest, was Hornblower mit einigem Staunen vermerkte, da es nicht zu den recht unklaren und offenbar falschen Vorstellungen passen wollte, die er sich über das Verhältnis der Seigneurs des Ancien Regime zu ihrem Gesinde gebildet hatte. Im Hinterhof des Schlosses wurden die dickbauchigen Weinfässer aufgelegt, und für die Tanzmusik sorgte ein großes Orchester von Fiedlern und von Pfeifern aus der Auvergne. Diese letzteren spielten ein dem schottischen Dudelsack ähnliches Instrument, das Hornblowers musiktauben Ohren wahre Qualen bereitete. Der Graf führte die dicke Jeanne zum Tanz, der Brautvater Marie. Es gab Wein und Essen in Fülle, es gab kühne Scherze und hochtrabende Reden. Die ansässige Bevölkerung schien diese Hochzeit eines Mädchens aus ihrer Mitte mit dem fremden Ketzer mit erstaunlicher Toleranz hinzunehmen - die Bauern aus dem Dorf schlugen Brown kräftig auf die Schulter, und ihre Frauen drückten ihm unter fröhlichem Geschrei schmatzende Küsse auf die wettergebräunten Wangen. Aber Brown war eben allgemein beliebt und schien übrigens alle die fremdartigen Tänze wie durch einen sechsten Sinn zu meistern.
Im Gegensatz dazu war Hornblower nicht imstande, eine Note der Melodie von der anderen zu unterscheiden, er gab sich Mühe, wenigstens den Rhythmus zu erfassen und, so gut es ging, die Bewegungen der anderen Paare zu verfolgen. So zog er sich leidlich, wenn auch zuweilen mit seltsamen Bocksprüngen, aus der Affäre und wurde von einer rotwangigen Schönen immer gleich der nächsten weitergereicht.
Bald saß er an einem der auf Schrägen stehenden Tische und stopfte sich den Bauch mit guten Dingen, bald wieder hopste er, von zwei gesunden Bauerndirnen untergefaßt, über das Kopfpflaster des Hofes und lachte dazu aus vollem Hals. Aber selbst hier, mitten in diesem Trubel, gab es für ihn noch Augenblicke der Selbstkritik, und dann mußte er sich innerlich wundern, daß er überhaupt solcher naiven Lebensfreude fähig war. Von Marie erhaschte er mitunter einen lächelnden Blick.
Hundemüde, aber in wunderbar froher Stimmung saß er endlich wieder im Salon des Schlosses und streckte auf höchst unsalonfähige Art seine Beine aus, während Felix, der sich wieder in einen tadellosen Haushofmeister verwandelt hatte, seine und des Grafen Aufträge entgegennahm. »Neuerdings gehen hier
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