Hornblower 10 - Hornblower in Westindien
Holländer sprach fließend Englisch, darum richtete Hornblower das Wort zuerst an ihn.
»Wie wurde Ihnen diese Bekanntmachung zur Kenntnis gebracht?« fragte er.
»Durch eines Ihrer Schiffe, durch einen Ihrer Offiziere.«
»Was für ein Schiff war das?«
»Die Kriegsbrigg Desperate. «
»In meinem Verband gibt es kein Schiff dieses Namens und in der Schiffsliste der Navy ebenso wenig. Von wem wurde Ihnen das Schreiben überbracht?«
»Vom Kommandanten persönlich.«
»Wer war das? Wie sah er aus?«
»Es war ein Seeoffizier, ein Commander mit Epauletten.«
»Er trug Uniform?«
»Ja, volle Uniform.«
»Jung? Alt?«
»Sehr jung.«
»Klein? Schlank? Gut aussehend?«
»Ja.«
Hornblower tauschte einen Blick mit Hooper. »Und wie sah die Brigg, die Desperate , aus? Etwa 170 Tonnen groß, Bugspriet fast waagerecht, Großmast ziemlich weit achtern?«
»Das stimmt.«
»Damit ist der Fall geklärt, Sir«, sagte Hornblower zu Hooper und wandte sich dann wieder an den Holländer: »Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, daß Sie einer Täuschung zum Opfer gefallen sind. Jener Mann war ein Betrüger, die Bekanntmachung ist gefälscht.« Der Holländer stampfte wütend mit dem Fuß. Er fand sekundenlang keine Worte, um sich auf englisch verständlich zu machen. Zuletzt tauchte in seinem Gestammel ein Name auf, den er so oft wiederholte, bis er zu verstehen war.
»Die Helmond ! Die H elmond !«
»Was ist denn die Helmond , Sir?« fragte Hornblower.
»Eines unserer Schiffe. Ihr Schiff - die Desperate - hat sie gekapert.«
»Ist sie denn ein besonders wertvolles Schiff?«
»Sie hatte Geschütze für die spanische Armee an Bord zwei Batterien Feldartillerie, Geschütze, Protzen, Munition und alles, was dazu gehört.«
»Das ist glatte Seeräuberei!« brach Hooper los. »Ja, es nimmt sich ganz so aus«, sagte Hornblower. Der spanische Offizier hatte ungeduldig zugehört, offenbar verstand er nur zur Hälfte, was auf englisch gesprochen wurde. Hornblower wandte sich jetzt zu ihm und raffte mühsam sein halbvergessenes Spanisch zusammen, um ihm einigermaßen deutlich zu machen, worum es ging. Der Spanier sprudelte ihm sogleich einen wahren Wortschwall entgegen, er sprach so rasch, daß ihn Hornblower wiederholt bitten mußte, doch etwas langsamer zu reden. Es stellte sich heraus, daß Ramsbottom samt seinem kostbaren Dokument in La Guaira eingelaufen war. Die bloße Nachricht, daß die britische Navy die Blockade verhängen wollte, hatte die erstaunliche Wirkung, daß sich vor der Küste Südamerikas kein Schiff mehr sehen ließ, ausgenommen allein die Helmond , die schon mit solcher Ungeduld erwartet wurde. Bolivar marschierte gegen Caracas, die Schlacht, deren Ausgang für den Bestand der spanischen Herrschaft in ganz Venezuela entscheidend war, stand unmittelbar bevor. Morillo und die spanische Armee brauchten dringend Artillerie. Diese blieb ihr jetzt vorenthalten, aber damit nicht genug. Nach den vorliegenden Nachrichten konnte es als sicher gelten, daß die Geschütze, zwei volle Batterien Feldartillerie, Bolivar in die Hände gefallen waren.
Der spanische Offizier rang in heller Verzweiflung die Hände.
Hornblower übersetzte das Gehörte kurz dem Gouverneur, und dieser wiegte dazu mitfühlend den Kopf. »Bolivar hat die Geschütze. Darüber gibt es kaum einen Zweifel. Ich kann Ihnen nur versichern, meine Herren, daß ich Ihr Mißgeschick auf das lebhafteste bedauere. Zugleich aber muß ich mit allem Nachdruck feststellen, daß die Regierung Seiner Majestät für das Geschehene keine Verantwortung trifft. Da Ihre zuständigen Stellen nichts unternommen haben, um den Betrüger zu entlarven...« Diese Worte hatten einen neuen Ausbruch zur Folge. Die britische Regierung solle doch dafür sorgen, daß sich solche Verbrecher nicht einfach der britischen Uniform bedienen und als britische Offiziere auftreten könnten. Hooper mußte seine ganze, grobschlächtige Verhandlungskunst aufbieten, um die erhitzten Gemüter zu beruhigen. »Wenn Sie mir jetzt gestatten wollten, mich mit dem Admiral zu besprechen, dann kommen wir vielleicht doch noch zu einer annehmbaren Lösung.« Als Hornblower wieder allein mit dem Gouverneur war, mußte er mühsam das Lachen verbeißen. Er war sein Leben lang nicht davon losgekommen, daß ihn in kritischen Lagen irgend etwas zum Lachen reizte. Wie sollte man auch ernst bleiben, wenn man sich vor Augen hielt, daß ein Zweispitz und ein paar Epauletten vollauf genügten, einen
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