Hornblower 11 - Zapfenstreich
Schwung Über welche Route war er nach London gekommen? Auf einem Kanal natürlich - irgendwo hier oder da hatte ich von dem Eildienst gelesen, der auf den Kanälen unterhalten wurde während ihrer kurzen Blütezeit, bevor die Eisenbahnen aufkamen Bestimmt begleitete ihn Maria. Aber hier lag der Keim zur Tragödie. Fünfzehn Jahre zuvor, wie es in ›Der Kapitän‹ zu lesen ist, aber zwei Jahre später vom augenblicklichen Hornblower aus gesehen, starben seine beiden Kinder an Pocken. Hier kamen Küken ins Nest, ich kann diesen Vergleich nicht vermeiden, trotz der Frivolität dieses Bildes, wenn man ihn auf die schreckliche Wahrheit anwendet. Die Kinder mußten geboren werden, sie mußten Hornblower ein kurzes Glück bringen, und sie mußten sterben. Glücklicherweise waren die Daten verwendbar. Hornblower heiratete im April 1803, und jetzt hatten wir Januar 1806. Gerade Zeit für zwei Schwangerschaften. Aber was war aus jenen Perlentauchern geworden? In ›Der Kapitän‹ war Hornblower im Besitz eines Ehrensäbels, der ihm vom Vaterländischen Fonds dafür verliehen worden war, daß er an Bord der Castilla gegangen war, es war nun wirklich Zeit, daß er an Bord der Castilla ging und sich dieses Ehrenschwert erwarb - Perlentaucher hin, Perlentaucher her. Und die Zeit flog nur so dahin, im Sommer 1808 sollte er schon das Kommando auf der Lydia im Golf von Fonseca innehaben. Da gab es noch viel zu tun, besonders da etwa um diese Zeit meine Aufmerksamkeit darauf gelenkt wurde, daß es auf dem Kontinent üblich war, die Zahl 7 mit einem Querstrich zu versehen. Darauf mußte irgendwie geachtet werden. Wie war es außerdem dazu gekommen, daß Hornblower von seinem gegenwärtigen Schiff - Name zur Zeit noch unbekannt - auf die Lydia kam, und zwar auf eine Art und Weise, daß sich damit ein bitterer Zug seines Wesens erklärte?
Es war ein wunderbares Leben, sich zurückzulehnen und diese Knoten sich selbst entwirren zu lassen. Ich war damals auf dieser Fahrt durch Westindien, flog von Insel zu Insel, mietete mir jedes Mal ein Auto und fuhr durch bezaubernde Wälder und kahle Hügel hinauf bis in die innersten versteckten Winkel.
Diese Inseln bestanden leidenschaftlich darauf, zu zeigen, daß sie sich an keine normale internationale Vereinbarung zu halten gedachten, ein internationaler Führerschein galt bei ihnen gar nichts - ich mußte durch eine Reihe Fahrprüfungen gehen und ein Dutzend verschiedene Führerscheine erwerben -, ich glaube tatsächlich, die verhalfen jenen Perlentauchern endlich zum Leben. Der Aufbau ist eben ein komisches Geschäft.Dann ging es wieder heim zum vertrauten Arbeitstisch und der vertrauten Ermattung. Meine Methode der inneren Verwirklichung während des Schreibens hat ihre Nachteile, traurige Ereignisse nehmen mich dadurch härter mit. Ich mußte zwei Kinder töten.
Sie starben auf der letzten Seite des Manuskriptes und ließen Maria mit gebrochenem Herzen und Hornblower trostlos niedergeschlagen zurück. Ich kann mich noch heute erinnern, wie ich dasaß, als die letzten Worte geschrieben waren, nicht gerade mit gebrochenem Herzen, aber wirklich niedergeschlagen, und es tat mir ungeheuer leid, daß ich Hornblower das antun mußte.
Nun schien der Roman-Zyklus geschlossen zu sein Da ich leichtsinnig mit ›Kommandant Hornblower‹ Ende 1805 begonnen hatte, war noch eine Lücke von zweieinhalb Jahren vorhanden, wahrend der Hornblower vom Commander weiterbefördert worden war, aber sonst hatte ich seine Karriere durch die ganze Zeit der Französischen Kriege beschrieben, von der Kriegserklärung 1793 an bis Waterloo im Jahre 1815. Insoweit konnte ich meine Arbeit als abgeschlossen betrachten, und ich dachte (welcher Irrtum!), daß ich meine Seele nun wieder mein eigen nennen durfte. Endlich konnte ich an die anderen Arbeiten herangehen, die mir längst auf den Nägeln brannten. Aber kommt etwas Erfreuliches, gesellt sich gleich ein Übel dazu, es begann eine Periode des Albdrucks, als ich die Zeugenaussagen in den Nürnberger Prozessen las - ein gelegentliches Blättern in den unerschöpflichen Banden glich einem ersten Schritt in Treibsand.
Seit langem drängte es mich, einen Roman über die Marine der Vereinigten Staaten im Einsatz zu schreiben. Nun da Hornblower nicht mehr im Wege stand, beanspruchte dieser Stoff meine ganze Aufmerksamkeit - so wie das bei mir immer der Fall ist. Hier galt es, nüchtern Geschichte zu schreiben, und - wie ich schon früher, aber vielleicht nicht mit
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