Hornblower 11 - Zapfenstreich
vor seinem Teller mit Essen bewahrte ich mir das Beste bis zuletzt auf - als ob die endgültige Niederschrift in irgendeiner Ansicht angenehme Aspekte haben konnte, geschweige denn das Beste wäre. Glücklicherweise hatte ich schon lange aufgehört, mich über irgendwelche Inkonsequenz, die ich offenbarte, noch zu wundern. Der richterliche Spruch war natürlich, daß ich mich sogleich an meinen Schreibblock zu setzen hatte, und, glaubt mir, es brauchte nur einen oder zwei Tage wirklicher Arbeit, und all diese seltsamen Neigungen waren zerstreut. Dazu kam, daß sehr bald, tatsächlich schon, nachdem ein winziger Teil der Arbeit vollbracht war, der alte Kobold sich wieder meldete, die Furcht, ich könnte sterben, ehe das Buch fertig wäre, und die letzten Entwicklungen blieben für immer im dunkeln. Das trieb mich mehr als jede andere Überlegung dazu, auch dieses Buch mit verzweifelter Hast zu schreiben. Ich brannte darauf, Hornblower in seinen widerborstigen Stimmungen zu zeigen wie er es ablehnte sich an seinen Erfolgen zu freuen, es ablehnte, vor seinen Vorgesetzten zu kriechen, wenn solches Kriechen offensichtlich erwartet wurde und sich als höchst einträglich erweisen konnte, und vor allem, wie er seinem törichten Temperament erlaubte, ihn in eine törichte Ehe zu ziehen - und all dies unter den erstaunten Augen seines Freundes Bush.
Ich glaube, es war wohl unvermeidlich, daß sich nun alles wiederholte, dieses Mal nach einer sehr viel kürzeren Zwischenpause nach achtzehn Monaten ungefähr - eine Zeit, die ich sehr abwechslungsreich verbrachte, teils mit einem längeren Besuch Westindiens, teils auch mit einem kleinen Geschichtslehrbuch, das ich für Kinder schrieb. Hierbei nun schlichen sich die Ideen wieder ein. Irgend jemand hatte mir sehr lebendig die Methoden geschildert, die die Perlentaucher von Ceylon früher anwandten Und noch etwas vielleicht brachte es das vorgeschrittene Alter mit sich, daß sich meine eigenen Erinnerungen an vergangene Erlebnisse nun häufiger und mit frischer Klarheit wieder einstellten. Einst hatte ich ein Motorboot quer durch ganz England und wieder zurück geführt, von London nach Elangollen, wobei ich die Kanäle benutzte, oft ertappte ich mich nun dabei, wie ich mir einzelne Geschehnisse gerade dieser Reise zurückrief. Bei einer anderen Gelegenheit war es mir aufgegeben, an einem stürmischen Tag ein kleines Boot durch London zu steuern, vom Pool aufwärts durch wilden Flußverkehr - diese Fahrt endete mit einer Havarie bei Vauxhall Bridge, als mir schon Sicherheit winkte.
Es war interessant, daß trotz der Tatsache, daß die Hornblower-Romane sich immer um Hornblower drehen (wieder eine Feststellung des Offensichtlichen), doch weitgehend die alte Methode überwog, bei der ich zuerst ausdachte, was geschehen solle, um dann erst die richtige Person auszusuchen, die die Tat vollbringen mußte. Es war Zufall (ist das wohl die ganze Wahrheit? Ich fürchte, ich bin nicht ganz aufrichtig, wenn ich auch versuche es zu sein), daß Hornblower sich als die richtige Person erwies. Die geschichtlichen Ereignisse sind das Skelett, um das man seine Erzählung gut zu drapieren vermag. Hornblower mußte befördert und zum Fregattenkapitän ernannt worden sein, und zwar etwa im Frühjahr 1805. Im Oktober 1805 fand die Schlacht bei Trafalgar statt, und im nächsten Januar die Prozession zu Nelsons Begräbnis von Greenwich und Whitehall, die Themse hinauf.
Über diese besondere Schaustellung gab es viele Berichte, und zahlreiche zeitgenössische Drucke gaben sie im Bilde wieder.
Aus eigener Erfahrung wußte ich, wie die Themse sich an schlechten Tagen benehmen konnte - es muß eine schrecklich schwierige Aufgabe gewesen sein, die Staatsbarkassen zu handhaben. Es kam mir die boshafte Idee, daß vielleicht die Barkaß, die Nelsons Sarg trug, mitten in der Prozession hätte sinken können. Was war natürlicher, als daß Hornblower als ein sehr junger Kapitän die Aufgabe übertragen bekam, diese Prozession zu organisieren? Es war ein ehrenvoller, hochverantwortlicher Auftrag - dazu bar jeden Ruhmes -, gewiß war dies eine Aufgabe, die dem Kapitän auferlegt wurde, der es am wenigsten verstand ihr zu entgehen. Hornblower mußte auf ein sehr kleines Schiff kommandiert sein - klein genug, um im Fluß zu Deptford ausgerüstet zu werden, so daß er zur Stelle und einsatzbereit war. Für welche Mission ausgerüstet? Wie wäre es mit diesen Perlentauchern? Und gleich war die Entwicklung in vollem
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