Hornblower 11 - Zapfenstreich
ist es in der Tat, ich kann die Worte Eurer Hoheit nur bestätigen.«
»Dann werden Eure Lordschaft gewiß auch Verständnis für meine Eile haben. In Paris stehen die Wahlen unmittelbar bevor.
Darum muß ich jetzt auf dem schnellsten Wege dorthin.
Spätestens in achtundvierzig Stunden muß ich in unserer Hauptstadt eintreffen. Nur darum bin ich trotz dieses Wolkenbruchs durch all den Schmutz zu Ihrem Haus gewatet.«
Der Fremde sah an seiner völlig verschmutzten Kleidung hinunter, von der immer noch das Wasser zu Boden tropfte.
»Ich könnte Eurer Hoheit trockene Sachen zur Verfügung stellen«, schlug Hornblower vor.
»Besten Dank, Mylord, aber ich darf von Ihrem Angebot keinen Gebrauch machen, meine Zeit ist selbst dafür zu knapp.
Ein Stück weiter südlich, jenseits dieses schlimmen Erdrutschs und des Tunnels - ich glaube Maidstone heißt die Station -, könnte ich einen Zug erreichen, der mich noch zur rechten Zeit nach Dover bringt. Von dort geht es weiter mit der Dampffähre nach Calais und mit dem Zug nach Paris - meinem Ziel.«
»Wenn ich richtig verstehe, wünschen Eure Hoheit also einen Wagen nach Maidstone?«
»So ist es, Mylord.«
Dorthin führten etwa acht Meilen anständiger Straße - die Bitte des Fremden war also nicht übertrieben, wenn er wirklich in solche Zeitnot geraten war. Aber es wehte doch aus Südwest!
Ach so, dachte Hornblower und riß sich dabei mit einem Ruck zusammen, diese Dampfer achteten ja nicht mehr auf Wind und Gezeitenstrom. Ein Mann, der sein Leben lang Segelschiffe geführt hatte, neigte immer wieder dazu, das zu vergessen. Der Plan dieses Geisteskranken war übrigens recht vernünftig - jedenfalls kam er auf diese Art schnell nach Paris. Dort sperrte man ihn dann wohl gleich in eine geschlossene Anstalt, wo er kein Unheil stiften konnte und wo ihm auch nichts Böses widerfuhr. Selbst die erregbaren Franzosen brachten es wohl nicht über sich, einem so unterhaltsamen Narren ernstlich gram zu sein. Aber für den Kutscher war es unangenehm, wenn er in einer Nacht wie dieser plötzlich herausgeholt wurde und sechzehn Meilen fahren mußte, nur weil sich ein Geisteskranker das in den Kopf setzte. So gesehen zeigte sich der Wunsch des Fremden von einer anderen Seite, und Hornblower überlegte schon, wie er sich dem armen Teufel versagen könnte, ohne ihm unnötig weh zu tun. In diesem Augenblick ging die Tür zum Wohnzimmer auf, und Barbara kam herein. Sie war hochgewachsen, schön und würdevoll wie eh und je, ihre Haltung war immer noch straff und gerade, während sich Hornblowers Schultern mit den Jahren gerundet hatten. Darum begegneten sich ihre Blicke jetzt auf gleicher Höhe.
»Horatio -« begann sie, aber sie hielt sofort inne, als sie den Fremden erblickte. Jeder, der Barbara gut kannte - wie Hornblower -, hätte sofort erraten, daß sie um die Anwesenheit des Besuchers im Speisezimmer schon gewußt hatte, ehe sie eintrat, ja, daß sie nur hereingekommen war, um herauszufinden, was hier vorging. Zweifellos hatte sie eigens für diesen Auftritt die Brille abgenommen. Der Besucher nahm bei ihrem Erscheinen sogleich die Haltung ein, die Kavalierpflicht von ihm verlangte. »Darf ich mir die Ehre geben, Eurer Hoheit meine Frau vorzustellen?« fragte Hornblower.
Der Fremde machte eine tiefe Verbeugung, trat vor und hob Barbaras Rechte an die Lippen. Hornblower ärgerte sich ein bißchen, als er das mit ansehen mußte. Seine Barbara war als echte Frau für einen Handkuß immer empfänglich, jeder Gauner fand bei ihr Gnade, wenn er sich nur darauf verstand, dieses ausländische Zeremoniell formvollendet in Szene zu setzen.
»Die schöne Lady Hornblower«, sagte der Fremde. »Gattin des berühmtesten Seeoffiziers der Navy Seiner Majestät, Schwester des großen Herzogs und doch vor allem bekannt und berühmt als die schöne Lady Hornblower.«
Der Narr verstand es aufzutreten, das mußte man ihm lassen, außerdem war er offenbar wohl unterrichtet und gut im Bilde.
Aber seine Redeweise war für den echten Bonaparte alles andere als charakteristisch, denn dieser war ja dafür bekannt, daß er Frauen stets barsch und ungehörig behandelt hatte; es hieß sogar, seine Unterhaltung mit ihnen hätte sich darauf beschränkt, daß er sie nach der Zahl ihrer Kinder fragte. Aber dies kam Barbara natürlich nicht in den Sinn, da sie gerade eben so schmeichelhaft begrüßt worden war. Mit einem fragenden Blick aus ihren blauen Augen wandte sie sich an ihren Gatten:
»Seine Hoheit
Weitere Kostenlose Bücher