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Hornblower 11 - Zapfenstreich

Hornblower 11 - Zapfenstreich

Titel: Hornblower 11 - Zapfenstreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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hatte damit sicher recht gehabt. Zweiundsiebzig Jahre zählte er, da war immer noch Zeit genug, daß sich die Traumwelt, in der er jetzt lebte, wirklich als ein Traum erwies und unversehens in eine gespenstige Wirklichkeit mündete.
    Es war bezeichnend für ihn, daß er sich kaum zu seiner augenblicklichen Lage beglückwünscht hatte, als er auch schon die Gefahren ins Auge faßte, die dieses Glück bedrohen konnten. Nach dem köstlichen Dinner und vor dem warmen Feuer im Kamin hatte er die Wirren ganz vergessen, die zur Zeit allenthalben die Welt erschütterten. Revolution - Anarchie - Erhebung der Massen: ganz Europa, nein, die ganze Welt war im Begriff, sich unter krampfhaften Erschütterungen zu wandeln. Die Massen waren in Bewegung, und die Heere marschierten; dieses Jahr 1848 ging bestimmt als ein Jahr der Zerstörung, des Umsturzes in die Geschichte ein, wenn es nicht durch spätere, noch schlimmere Jahre in den Schatten gestellt wurde. In Paris waren wieder Barrikaden errichtet und eine rote Republik ausgerufen worden. Metternich war aus Wien geflohen, die Diktatoren Italiens waren aus ihren Hauptstädten verbannt. In Irland hatte der wirtschaftliche Zusammenbruch Hunger, Krankheit und Aufruhr zur Folge, auch hier in England hetzten die Demagogen das Volk auf. Sie forderten eine bestürzende Parlamentsreform, bessere Arbeitsbedingungen und eine Reihe sonstiger Neuerungen, die alles in allem einer Revolution gleichkamen. Gewiß, er war schon ein alter Mann, aber vielleicht mußte er doch noch erleben, daß ihm ein undankbares Schicksal noch sein Glück und seine Sicherheit zerstörte, ohne die menschenfreundliche, liberale Gesinnung zu würdigen, die ihm sein Leben lang Richtschnur gewesen war.
    Sechs Jahre seines Lebens hatte er gegen eine blutige und siegestrunkene Revolution gekämpft, die vierzehn darauf folgenden Jahre galten dem Kampf gegen die grausame, unheimliche Gewaltherrschaft, die sich aus jener Revolution entwickelt hatte. Vierzehn Jahre lang hatte er sein Leben im Kampf gegen Bonaparte aufs Spiel gesetzt, einem Kampf, der von vornherein persönliche Züge trug. Je höher der Rang war, den er erreichte, desto ausgeprägter wurde diese persönliche Gegnerschaft. Sein Kampf galt der individuellen und politischen Freiheit, aber er war darum nicht weniger gegen die Person seines Gegners gerichtet.
    In Ost und West, an mehr als fünfzig Küsten hatte Hornblower für die Freiheit, Bonaparte für die Tyrannei gekämpft, und dieser Kampf hatte mit dem Sturz Bonapartes geendet. Seit fast dreißig Jahren lag Bonaparte nun schon unter der Erde, Hornblower aber saß am Feuer, das ihm angenehm den Rücken wärmte und hatte ein Glas ausgezeichneten Portweins vor sich stehen, der ihm von innen her wohltat. Es entsprach aber seinem Wesen, daß er seinem Wohlbefinden Zügel anlegte, indem er sich die Frage stellte, wie lange es ihm wohl noch gegönnt sei. Der Sturm ließ das Haus in seinen Grundfesten erzittern, der Regen prasselte gegen die Fensterscheiben. Die Tür des Speisezimmers öffnete sich leise, Brown, sein Butler, kam herein, um Kohlen aufs Feuer zu werfen. Als guter Diener, der er war, ließ er seinen Blick prüfend durch das Zimmer schweifen, um sich zu überzeugen, daß alles in Ordnung war; wie beiläufig nahm er dabei auch Notiz von Hornblowers Flasche und Glas, was diesem nicht entging. Brown, sagte er sich, wollte sich nur davon überzeugen, daß er sein erstes Glas Portwein noch nicht geleert hatte, weil ihm das half, nachher im Wohnzimmer genau im richtigen Augenblick den Kaffee zu servieren, wenn Hornblower sich hinüber begab.
    Plötzlich hörte man von draußen das Gebimmel der Hausglocke. Wer konnte jetzt, um acht Uhr Abends, bei diesem fürchterlichen Wetter noch Einlaß begehren? Ein Pächter konnte es nicht sein, denn die benutzten die Hintertür, wenn sie je einmal hier im Haus etwas zu erledigen hatten - und Besucher wurden heute nicht erwartet. Hornblower konnte sich der Neugier nicht erwehren, und seine Spannung nahm noch zu, als jetzt ein zweites Mal am Klingelzug gerissen wurde, ehe noch das erste Gebimmel verhallt war. Die Fenster und Türen des Speisezimmers schlugen etwas vom Luftzug, ein Zeichen, daß der Hausdiener die Eingangstür geöffnet hatte. Hornblower spitzte die Ohren, er glaubte jetzt in der äußeren Halle Stimmen zu hören.
    »Sehen Sie nach, wer das ist«, sagte er zu Brown. »Jawohl, Mylord.«
    Lange Jahre hindurch hatte Brown auf Hornblowers Befehle mit ›Aye

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