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Hornblower 11 - Zapfenstreich

Hornblower 11 - Zapfenstreich

Titel: Hornblower 11 - Zapfenstreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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Schriftsteller wenden andere Methoden an. Manche beginnen ihre Romane auch ohne jede Planung; ihre schöpferische Phantasie trägt sie zu einem Ende, das sie anfangs selbst nicht voraussehen konnten. Zuweilen übernehmen Charaktere in einem Roman die Initiative, während er geschrieben wird, und bestehen dann auf völlig ungeahnten Entwicklungen. Das mag vorkommen, aber ich glaube, im Grunde gibt es keine wesentlichen Unterschiede der Methode. Schriftsteller, die auf solche Art und Weise arbeiten, tun auf dem Papier, was ich lieber im Kopf tue - oder tun muß -, ehe ich auf dem Papier beginne. Wenn meine Charaktere Richtlinien geben, so tun sie das während der vorausgehenden Gedankengänge; solche Entwicklungen sind neue Muscheln am Holz. Nun zur Konstruktion eines Buches: es gibt hier zweifellos zwei Extreme in der Verfahrensweise. Der Schriftsteller kann erst den Ablauf der Handlung ausdenken und sich dann fragen, welche Person am geeignetsten und am interessantesten wäre, eine solche Handlung durchzuführen; andererseits könnte der Autor sich einen Charakter ausdenken und sich dann fragen, was für eine Handlung wohl für diese Person naheliegend und interessant wäre. Es kann sich doch wohl niemand recht vorstellen, daß Jonathan Swift sich erst den Charakter Lemuel Gullivers ausgedacht habe und dann auf den Gedanken gekommen sei, ihn auf eine Insel zu schicken, die von einer 15 Zentimeter großen Menschenrasse bewohnt ist. Swift muß erst an die Liliputaner gedacht und dann die Person erfunden haben, die am geeignetsten war, dorthin geschickt zu werden. Gulliver mit seinem Scharfsinn und seiner Einfalt, seiner Weltkenntnis und seiner Arglosigkeit - in allem ganz menschlich und glaubhaft - war wirklich die ideale Person, die Kulturen zu beobachten, denen er begegnete, und sich dazu zu äußern. Ohne Gulliver wären die ›Reisen‹ unbedeutende Phantasieprodukte; ohne die ›Reisen‹ wäre Gulliver noch immer jemand, mit dem man rechnen muß. Wie dem auch sei, er verdankt sein Dasein den ›Reisen‹ . In Hamlet haben wir ein großartiges, Ehrfurcht heischendes Beispiel für diese Methode des Aufbaus. Es ist nicht anzunehmen, daß Shakespeare diesen komplizierten Charakter heraufbeschworen und ihn dann willkürlich zu einem entrechteten Prinzen in Dänemark gemacht hat. Es scheint ganz offensichtlich, daß Shakespeare zuerst die Situation ausgedacht (oder von einer solchen gelesen) hat - die Blutschande, den Mord, die Entrechtung - und dann in seinen Gedanken Hamlet erfunden hat als die interessanteste Gestalt, die er dieser Situation gegenüberstellen konnte, allein, ohne Vertrauen, und von seinen eigenen Komplexen gehemmt.
    Das geeignetste Beispiel, das mir einfällt für die andere Art der Konstruktion, wobei der Charakter zuerst kommt, ist Madame Bovary. Ich bin ganz sicher, daß Flaubert schon eine ganze Menge über sie wußte, bevor er bestimmte, wie sie handeln sollte, und daß er sie für sich aufgebaut hatte, ehe er entdeckte, daß sie sehr geeignet wäre, um mit ihr das Problem des Realismus zu behandeln, das ihn nach der ›Versuchung des heiligen Antonius‹ reizte. Daraufhin diktierte diese Entdeckung natürlich alles weitere, alles, was ihr widerfuhr und was sie tat.
    Die Geschichte kam durch Madame Bovary zustande und nicht andersherum.
    Nun ja, mit welcher Art der Konstruktion auch immer, das Buch muß erst noch geschrieben werden. Was sich im Kopf geformt hat, muß zu Papier gebracht werden. Erst einmal muß der Anfang gemacht sein - diese Feststellung des Naheliegenden ist gerechtfertigt durch die Wichtigkeit der Wahrheit, die sie enthält. Die sorglosen Methoden der Qualle müssen nun aufgegeben werden zugunsten des Fleißes der Ameise und der Ausdauer des Maultiers.
    Für mich persönlich ist die Veränderung meiner Verfassung, die dadurch zustande kommt, daß ich zu schreiben beginne, jäh und heftig. Es ist eben ein Unterschied, ob man oben auf der Höhe der Rodelbahn steht, oder zur Abfahrt starten muß. Es heißt den Sprung wagen, die Pille schlucken, durch die Türe gehen, über der steht ›Laß alle Hoffnung fahren‹ . Es heißt, das angenehme Leben der Kontemplation aufzugeben für eine Zeit härtester und mitleidloser Arbeit, denn es ist (wie Erfahrung mich längst gelehrt hat) harte Arbeit, anstrengende Arbeit.
    Sowohl die Erinnerung an das, was ich zurücklasse, wie der Gedanke an das, was vor mir liegt, hemmt mich. In einem gewissen Augenblick muß ich mich an meinen

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