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Hornblower 11 - Zapfenstreich

Hornblower 11 - Zapfenstreich

Titel: Hornblower 11 - Zapfenstreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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seine Umwelt. Geistig sanft entrückt, gab ich dem Alltag auf dem Schiff sein Recht, ohne ihm einen Gedanken zu widmen; mein Kopf aber hatte nun viel zu tun: Wann und wie sollte die Nachricht vom Frieden meinen Helden erreichen? Wie sollten sich die Leutnants der Fregatte zueinander verhalten? Wie könnte die Dramatik dieser oder jener Situation am besten dargestellt werden? Der Mensch, der mich da um Mittag angesprochen hatte und mir von der Berechnung der Geschwindigkeit unseres Schiffes etwas erzählen wollte, war wahrscheinlich leicht verwundert über meine Unaufmerksamkeit; es mußte wohl aussehen, als sei ich plötzlich taub geworden. Er hatte mich möglicherweise gerade aus einem Interview mit El Supremo abgerufen; sicher habe ich ausgesehen wie jemand, der aus einem Traum erwacht, obwohl ich anscheinend ganz normal an Deck spazierengegangen war.
    Immerhin versagte ich es mir, dabei meine unberechenbaren Phantasien laut von mir zu geben - eine gewisse Selbstkontrolle verhinderte diese letzte Bloßstellung meines Entrücktseins, so leicht das auch bei meiner inneren Erregung hätte eintreten können.
    Wir näherten uns den Azoren; der Passatwind flaute ab, und Hornblower begann, sich zu einer Persönlichkeit zu entwickeln.
    Die Geschichte selbst hatte natürlich seinen Charakter schon weitgehend festgelegt. So wie im wirklichen Leben Erbe und Umgebung uns prägen, so müssen die Gestalten in Romanen bestimmte Charakterzüge haben, die ihnen ermöglichen, die Aufgaben zu erfüllen, die ihnen zugedacht sind; und dann muß man ihnen noch einige dazugeben, damit ihr Charakter auch glaubhaft wird, oder weil sie ohne diese zusätzlichen Eigenschaften nicht ertragen könnten, was sie zu erleben und zu erleiden haben - oder schließlich ganz einfach, weil diese Eigenschaften eben zweckdienlich, passend und richtig sind.
    Hornblower sollte der auf sich gestellte Mensch werden, nach dem ich suchte. Ich hatte ihm in dem Roman, der sich in mir vorbereitete, eine bestimmte Aufgabe zugedacht - die sich allerdings aus verschiedenen einzelnen Aufgaben und Pflichten zusammensetzte -, aber diese Bestimmung war nur Teil eines größeren Ganzen: Sein Kampf gegen El Supremo war zugleich ein Dienst für sein Vaterland gegen die Tyrannei Bonapartes.
    Und noch etwas anderes hatte ich mit ihm vor, einen Streit von ungleich längerer Dauer sollte er führen, der für ihn selbst vielleicht noch wesentlicher war, ganz gewiß aber noch wichtiger für mich. Kriege mußten ganz einfach einmal enden; Bonapartes Fall war auch mehr oder weniger vorauszusehen - jedenfalls bestand doch die Möglichkeit solch günstiger Lösungen -, Hornblowers anderer Kampf aber würde nicht enden, solange er lebte, denn es war der Kampf mit sich selbst.
    Es war nötig, ihm ein ungewöhnliches Maß an Selbstkritik mitzugeben. So wie von niemandem erwartet wird, daß er in den Augen seines Kammerdieners ein Held ist, so konnte Hornblower nicht vor sich selbst die Rolle des Helden spielen.
    Er mußte seine Motive zu mißtrauisch betrachten, sich seiner Schwächen zu sehr bewußt sein, als daß er je mit sich zufrieden sein konnte. Und doch mußte er ein Mann von beachtlicher Charakterstärke sein, so daß es glaubwürdig erschien, daß er trotz Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit diesen Kampf mit sich selbst nicht aufgab und nicht absackte in Selbstzufriedenheit oder demütiges Sich-Ergeben.
    So, mein Hornblower hatte nun mehr oder weniger Gestalt bekommen: Er war Kommandant einer britischen Fregatte - nicht eines Linienschiffes, denn es gehörte zur Methode der Seekriegsführung, daß Linienschiffe in einer Flotte, oder wenigstens in einem Geschwader, beieinander blieben und nicht einzeln in See gingen. Hornblower konnte auch nicht etwa nur Kommandant einer Korvette sein, denn eine Korvette war zu klein für die Aufgabe, die ich für ihn plante.
    Das legte auch sein Dienstalter ungefähr fest, denn in der Regel bekam der ältere Kapitän das größere Schiff. Hornblowers Dienstalter als Stabsoffizier mußte zwischen drei und zehn Jahren liegen. Er hatte kein blaues Blut, das würde ihm die Sache mit Lady Barbara zu leicht machen. Seine Beförderung hatte er also nicht irgendwelcher Fürsprache, sondern seiner Tüchtigkeit zu verdanken; dieser Umstand fand nachdrückliche Bestätigung durch die Tatsache, daß man ihn mit einer selbständigen Mission betraut hatte - wenn auch nur mit einer relativ bescheidenen. Alles in allem war er aber doch eine markante

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