Hornblower 11 - Zapfenstreich
durch die Luftröhre schluckt. Michael Joseph war mein Verleger, und zwar schon jahrelang, und Jahre zuvor war er schon mein Freund gewesen. Er verdiente eine anständige Antwort; ich wollte ihm sogar antworten. Für ihn spielte natürlich auch der praktische Gesichtspunkt eine Rolle: Verleger müssen schließlich ihre Produktion vorausplanen und - das nehme ich wenigstens an - auch den Boden für die nächsten Bücher vorbereiten. Joseph sagte also: ›Was kommt nun dran?‹ Ich riß mich zusammen und brachte die armselige Antwort heraus: ›Ich habe vor, einen Roman über einen Kapitän zur See im Jahre 1808 zu schreiben.‹ Er zuckte nicht mit der Wimper, er schrie mich auch nicht an. Es kam nur eine lange Pause, und Josephs Blick wurde starr und ausdruckslos, ehe er antwortete: ›Großartig.‹ Von der Magie des Jahres 1808 ahnte er nichts, und das konnte man ihm auch nicht vorwerfen - da mußte man schon Spezialist sein; für alle anderen endete die Seefahrtsgeschichte Englands mit Trafalgar, also drei Jahre früher. Selbst Joseph, der doch an rascher Auffassungsgabe kaum einem nachstand, konnte sich aus meinem mühsamen Gestammel keinen Vers machen, nicht einmal, als ich noch hinzufügte: ›Ich denke, ich werde ihn Hornblower nennen.‹ Als wir uns trennten, war er kaum klüger, aber wohl sehr viel beunruhigter als vor unserer Begegnung.
Ich konnte ihm keinen Vorwurf daraus machen; die Schuld war allein auf meiner Seite, und ich war gereizt und verwirrt. Da hatten wir's! Wieder ein Beweis mehr für die selbstverständliche Tatsache, daß man ein Buch nicht beurteilen kann, bevor es geschrieben ist. Und so kam es dazu, daß ich mich am nächsten Morgen an meinen Tisch setzte, meinen Block an mich zog und die Worte niederschrieb, die sich in meinem Kopf geformt hatten, während ich meinen Frühstückskaffee trank: Bald nach dem Anbruch der Morgendämmerung betrat Kapitän Hornblower das Achterdeck der Lydia. Vielleicht war das ein Sprung über die erste Hürde, die ich wohl nicht ganz in dieser Form genommen hätte, wären mir nicht durch Josephs höflich leeren Blick die Sporen gegeben worden.
Nun folgte wieder, was ich schon zu gut kannte: die Periode intensiver Arbeit, dann die unvermeidliche Erschöpfung, in der mir jeder Sinn für die Zusammengehörigkeit mit dieser Welt verloren geht. Das alles hatte ich kommen sehen, hatte es erwartet und bewußt durchlebt - und dann war die Geschichte eines Tages fertig, wurde an zwei Verleger abgeschickt, und ich konnte mich zurückfallen lassen in Vergessen und Vergessenwerden.
Was dann geschah, bleibt auch für mich immer eine erstaunliche Folge von Erfahrungen. Da ist die Sache mit dem verlorenen Roman - etwas, was ich wohl nie richtig erklären kann. Der Mann, der ich damals war, unterscheidet sich von dem Mann, der ich heute bin, und wenn ich auf mich selber zurückschaue, geschieht es unzähligemal, daß ich den Kontakt verliere und daß mich das hoffnungslose Gefühl überkommt, als spräche ich zu einem fremden Wesen, so wie Väter es im Gespräch mit ihren heranwachsenden Söhnen erleben. Nun, was das angeht, so bin ich jetzt alt genug, um dem jungen Forester jener Tage ein Vater zu sein, und es ist wohl besser, nicht weiter darüber nachzudenken, was er von mir gehalten hätte, wäre er mir so begegnet, wie ich jetzt bin.
Hier möchte ich die Aufmerksamkeit noch einmal auf die unerfreuliche Sache mit dem verlorenen Roman lenken.
Hornblower war fertig, abgeschickt und vergessen. Ich kümmerte mich so wenig um das Buch, daß ich, als meine amerikanischen Verleger vorschlugen, den Titel zu ändern (amerikanische Verleger wollen immer die Titel ändern), ohne nochmals darüber nachzudenken, zustimmte. So kam es, daß das Buch ›Der Kapitän‹ in England ›The happy return‹ und in Amerika ›Beat to quarters‹ heißt - eine Unstimmigkeit, die mir bis auf den heutigen Tag unbehaglich ist. Zur Zeit, als die Fahnenabzüge kamen, war ich schon wieder tief in einen anderen Roman versunken. Ein anderer Stapel Holz, vollgesogen mit Wasser, hatte schon wieder eine neue Ernte an Muscheln hervorgebracht; im dumpfigen Schlamm meines Unterbewußtseins gärte im Überfluß Nahrung für niedere Lebensformen. Und auch dieser Roman wurde geschrieben, wurde nach London und Boston geschickt und angenommen und war nun Gegenstand unterzeichneter Verträge.
Dann kam die nächste Stufe der Entwicklung: Ich erholte mich eben von meinen Anstrengungen, war in hundert Dinge
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