Hornblower 11 - Zapfenstreich
Habsburg-Lothringen als auf Harmonielehre und Kontrapunkt. Es durfte nicht sein, daß Lady Barbara und Hornblower in der Musik ein gemeinsames Feld fanden - und zwar aus verschiedenen Gründen. Äußerst drastisch, ja geradezu kaltblütig beschloß ich: Hornblower mußte absolut unmusikalisch sein, so daß ihm die Freude an der Musik für immer verwehrt war. Das konnte mir helfen, ihn trotz seiner überragenden Intelligenz menschlicher erscheinen zu lassen.
Früher war mir einmal ein Mann begegnet, den ich dann gut kennenlernte und von Herzen verabscheute, der war höchst unmusikalisch gewesen und hatte mir oft Gelegenheit gegeben, seinen Zustand zu beobachten. Aber auch wenn er mein Freund gewesen wäre, hätte ich wohl den gleichen Nutzen aus seiner Schwäche gezogen.
Ein letzter Punkt war noch zu klären, bevor die Margaret Johnson den Bishop-Rock-Leuchtturm in Sicht bekam und wir in den Kanal einliefen: dieser merkwürdige Bursche mußte einen Namen haben. Bisher war er in meinen Selbstgesprächen nur ›er‹ gewesen. Es sollte ein Name sein, der dem Leser leicht im Gedächtnis haftenblieb, der aus dem Schriftsatz hervorstach und mit keinem anderen Namen verwechselt wurde. ›Krieg und Frieden‹ hatte für mich seine letzte Vollkommenheit nicht erreicht, weil ich bei der Lektüre immer wieder Schwierigkeiten hatte, die Charaktere an ihren Namen zu erkennen. Es wäre eigentlich nett - wenn auch nicht unbedingt notwendig -, wenn er einen etwas grotesken Namen bekäme, und damit einen neuen Grund zu Verlegenheit, denn er war doch fast albern befangen.
Am wenigsten fiel bei meinen Überlegungen ins Gewicht - höchstens ein Milligramm -, daß er auch selbst etwas Bizarres an sich hatte. Zuerst kam mir ›Horatio‹ in den Sinn, und zwar spaßhafterweise nicht wegen Nelson, sondern wegen Hamlet.
Jedenfalls erfüllte dieser Name eine wesentliche Forderung, weil sich mit ihm Gedankengänge an die damalige Zeit verbinden.
Nelson war um die Wende des 18. Jahrhunderts durchaus nicht der einzige Horatio gewesen. Und vom Horatio aus war es ein leichter natürlicher Schritt zu Hornblower. Eben war er noch ›er‹ gewesen, im nächsten Augenblick war er Horatio, und wieder einen Augenblick später Kapitän Horatio Hornblower von Seiner Britannischen Majestät Navy. Und damit war die letzte Hürde genommen und der Roman sozusagen bereit zur Niederschrift - und da lag auch England in voller Sicht an Backbord voraus.
Aber bevor ich zu schreiben beginnen konnte, gab es noch allerlei zu tun. Ich mußte mich mit meiner Frau und meiner Familie gewissermaßen aufs neue bekannt machen; ich mußte mich der alten Umgebung wieder anpassen; wenn auch höchst widerstrebend, mußte ich einiges Geschäftliche erledigen, und ich mußte noch sehr viel nachlesen, um den geschichtlichen Hintergrund meines Romans richtig zu treffen. Irgendwie häuften sich diesmal so viele Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, daß ich sogar richtig ungeduldig wurde.
Sonst war es doch immer so gewesen, daß ich dazu getrieben werden mußte, mit der Arbeit am Schreibtisch zu beginnen, daß ich mich davor fürchtete und sie immer wieder verschob - diesmal aber schien mich alles davon abhalten zu wollen, und mit dem Eigensinn meiner Natur rieb ich mich an den Hindernissen wund. Wie immer steigerte sich ständig meine Neugier, ob ich denn auch wirklich imstande sei, die Pläne, die ich im Kopf geschmiedet hatte, durchzuführen, und das besonders, seit ich durch eifriges Lesen auch die unbedeutenderen Punkte geklärt hatte. Wirklich, der innere Druck erreichte eine Stärke, daß ich meinte, explodieren zu müssen.
Immer hat es mich in unbehagliche Verlegenheit versetzt, wenn ich gefragt wurde: ›Was ist diesmal Ihr Thema?‹ Das ist zwar eine menschlich sehr natürliche Frage, und ich muß irgendeine höfliche Antwort darauf finden, aber es ist außerordentlich schwierig für mich, sie zu beantworten - selbst wenn ich schon beim Schreiben bin, und praktisch unmöglich, wenn ich noch nicht soweit bin. Eine mögliche Antwort ist: ›Männer und Frauen‹ - die aber kann ich nur anwenden, wenn mir reichlich Grund gegeben wurde, so unverschämt zu sein. Ich habe es mir selber nie erklären können, warum es mir soviel Schwierigkeiten bereitet, auf diese Frage einzugehen. Es muß da eine Art von geistiger Hemmung eintreten, die eine völlige Blockierung herbeiführt, irgendeine Vorrichtung, die fast ebenso perfekt arbeitet wie jene, die verhindert, daß man
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