Hornjäger (German Edition)
ihn führen? Nuori nahm ihn an der Hand und zog ihn aus dem Haus. »Kommt mein Herr!«
Helwyr blinzelte in die warme Vormittagssonne. Nuori führte ihn durch einen kleinen Kräutergarten, vorbei an einem Ziegenpferch und rund um das kleine Bauernhäuschen, das direkt neben einer großen Mühle stand. Sie entfernten sich vom Grundstück und folgten einem ausgetretenen Pfad durch ein lichtes Waldstück.
Helwyrs Herz schlug schwer. Er hatte Angst, dass Nuori ihn zu einem Grabhügel führte. Die nächsten Augenblicke konnten alles verändern! Helwyr ignorierte das Ziepen in seinem Bein und beschleunigte seinen Schritt. Der Junge half ihm den Abhang zum Fluss hinunter und wies das erdige Ufer entlang.
»Danke, Nuori!«, murmelte er und setzte seinen Weg alleine fort. Hinter der nächsten Biegung blieb Helwyr wie angewurzelt stehen. Er rieb sich über die Narbe und atmete erleichtert auf.
Keine fünf Meter vor ihm hockte Euphena am Flussufer und alberte mit einem kleinen schwarzhaarigen Mädchen im Wasser herum. Helwyr schickte ein Dankgebet an alle Götter. Sie lebte! Und es schien ihr auch einigermaßen gut zu gehen! Sie trug jetzt einen einfachen braunen Kittel, der sicher schon bessere Tage erlebt hatte, aber ihr stand er einfach nur wunderbar.
Euphena lachte auf und verwuschelte dem kleinen Mädchen die Haare. Es tat so gut sie so zu sehen, so fröhlich und vor allem so lebendig! Das Mädchen stand auf und durchwühlte beflissen einen Weidenkorb. Dann entdeckte sie Helwyr, der sich an einen Baum gelehnt hatte, um sein Bein zu entlasten. Erschrocken hielt sie inne.
Euphena reagierte und drehte sich ebenfalls um. Der Blick, den sie Helwyr zuwarf, traf ihn mitten ins Herz. Sie freute sich und kämpfte gleichzeitig mit den Tränen. Euphena musste über ihr eigenes Gesicht lachen und wischte sich die Augen an ihrem Ärmel trocken. Helwyr stieß sich vom Baum ab und trat auf sie zu. Sie stand auf und stellte sich dicht vor ihn.
»Da bist du ja Püppchen!« Zärtlich strich er ihr über die Wange. Sie sah so makellos aus, gar nicht so als hätte sie noch vor kurzem ihr Bewusstsein in einem Gefecht verloren. Nur ihr linker Unterkiefer war noch bläulich verfärbt. Behutsam zeichnete Helwyr die Linie ihrer Wange nach.
»Ach, Helwyr!« Euphena hielt es nicht mehr aus. Sie warf sich um seinen Hals und drückte ihn so fest sie konnte an sich.
»Warum weinst du? Bist du traurig?« Das kleine Mädchen zupfte an ihrem Kittel und sah sie fragend aus ihren grauen Augen an. Euphena ließ Helwyr wieder los.
»Nein, meine Kleine! Ich bin sogar überglücklich!« Sie hob sie hoch und setzte sie auf ihrer Hüfte ab. »Schau, das ist Helwyr!«
»Hallo!«
»Seid mir gegrüßt kleines Fräulein!« Helwyr vollführte den kunstvollsten Handkuss, den er bei Hofe je gesehen hatte.
Das kleine Mädchen kicherte.
Euphena grinste ihn an. »Das ist Sipi! Sie ist die Jüngste in der Müllerfamilie. Wir waren gerade dabei Wäsche zu waschen, nicht wahr meine Süße?«
Helwyr hätte noch so viel zu sagen gehabt, aber dafür war später auch noch Zeit. Euphena stand gesund und munter vor ihm. Sie strahlte noch schöner, als alle Sonnenstrahlen, die durch die saftigen Blätter der Bäume fielen und sie von innen heraus zum Glühen zu bringen schienen. Er konnte sich im Moment nichts Schöneres vorstellen, als sich mit Euphena über so etwas Banales wie Wäsche zu unterhalten.
»Du wäschst Wäsche? Freiwillig?« Er nahm ihre Hand und ließ sich hinunter zum Wasser führen.
»Ja, natürlich!« Euphena lachte ihr glockenhelles Lachen. »Es macht sogar Spaß!«, fügte sie in einem verräterischen Tonfall hinzu.
»Schau Helwyr, das haben wir schon alles gewaschen!« Sipi hielt ihm stolz den Korb mit der sauberen Wäsche unter die Nase.
Er gab sich gebührend beeindruckt und sah dem kleinen Mädchen auf ihr verlangen hin ganz genau zu, wie sie das machte. Gemeinsam setzten sie sich an den Uferrand. Helwyr hielt seine Zehen ins Wasser und Euphena half Sipi weiter bei der Wäsche. Aber nur mit einer Hand, denn Helwyr hatte nicht vor die andere je wieder loszulassen.
Sipi guckte besorgt in den zweiten Korb. »Das ist das Letzte.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um den Lappen am Boden des Korbes zu erwischen und tapste damit zu Euphena zurück.
»Danke.« Sie nahm ihn entgegen und schwappte ihn kräftig durch. Helwyr sah ihr interessiert zu. Sie hatte Talent, das musste er zugeben, auch wenn ihre Schrubberei noch ein wenig unbeholfen
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