Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
ganze Welt – das Bett, das Zimmer, das Gebäude – bebte und sie konnte Staub riechen und ihn in den Augen fühlen. Sie musste in irgendeinem Kriegsgebiet sein. Die Explosionen hörten eigentlich nie auf, und obwohl sie nicht wusste, wann der Tag endete und die Nacht begann, war sie doch überzeugt, dass der Beschuss rund um die Uhr stattfand.
Sie selbst war angeschossen worden – aber nicht hier. Das war in Hongkong passiert, im Tai Shan Tempel. Sie konnte immer noch das Mündungsfeuer sehen und den Aufprall der Kugel spüren. Wie lange war das her? Während sie auf dem Rücken lag, gefangen in ihrer Welt des Schmerzes und der Dunkelheit, versuchte sie sich an alles zu erinnern, als würde das Verstehen der Vergangenheit auch erklären, wie sie hierhergekommen war.
Die Alten hatten Hongkong übernommen. Sie kontrollierten die ganze Stadt und hatten sie als Köder benutzt, um Matt in die Falle zu locken … Matthew Freeman, einen Jungen, dem sie nie begegnet war, obwohl sie einen Großteil ihres Lebens kaum einen Kilometer voneinander entfernt gelebt hatten. Es gab fünf von ihnen. Torhüter. Matt war ihr inoffizieller Anführer. Es war alles sehr kompliziert und nur darüber nachzudenken, verursachte ihr Kopfschmerzen (die sie ohnehin schon hatte).
Sie konzentrierte sich auf den letzten Tag. In Hongkong wütete ein Taifun, der alles verwüstete und auch sie umgebracht hätte, wenn sie ihn nicht zurückgehalten hätte. Das war ihre besondere Begabung. Sie konnte das Wetter kontrollieren, konnte es regnen oder die Sonne scheinen lassen. Und sie war es auch gewesen, die alle durch das Auge des Sturms in den Tempel gebracht hatte. Wer war noch dort gewesen? Jamie natürlich, der amerikanische Junge. Und Matt.
Aber da waren auch noch zwei andere … Außenseiter, die in die ganze Sache hineingeraten waren, obwohl sie eigentlich nichts damit zu tun hatten. Einer der beiden war ein Journalist von einer kleinen Lokalzeitung in Nordengland. Scarlett kannte ihn kaum, aber Matt hatte ihr von ihm erzählt, als sie zusammen gefangen gehalten wurden. Sein Name war Richard Cole und er war zu Matts bestem Freund geworden.
Der andere Mann war Lohan, ihr eigener Beschützer, auf den das Wort „Freund“ eigentlich nicht zutraf. Er war ein gut aussehender Typ mit dunklen Augen, der immer alles unter Kontrolle hatte, denn er war ein Mitglied der White Lotus Society, einer der chinesischen Triaden, die ihr Geld mit Drogenhandel, Prostitution und wer weiß was noch verdienten.
Er hatte Scarlett gegenüber nie irgendwelche Wärme oder Zuneigung gezeigt, aber dennoch sein Leben für sie riskiert und alles getan, um sie zu schützen. Natürlich war er der Mann bei ihr im Zimmer. Es konnte niemand anders sein.
Sie hatten den Tempel erreicht und wussten, dass es dort eine Tür gab, die sie aus Hongkong weg und an jeden Ort bringen konnte, an den sie wollten. Sie hatte sie dorthin geführt. Sie hatte die Tür mit dem fünfzackigen Stern gesehen. Sie war extra für die Torhüter gebaut worden, um sie in Windeseile durch die ganze Welt zu befördern. Alles würde gut werden. Sie hatten gewonnen.
Aber im letzten Augenblick veränderte sich alles. Plötzlich hatte sich die Tür geöffnet und Scott und Pedro waren aufgetaucht. Und Pedro … wenn er jetzt nur hier wäre. Matt hatte ihr auch erzählt, wie er Pedro getroffen hatte, als er und Richard in Peru waren. Pedro war ein Heiler. Er brauchte sie nur mit einem Finger zu berühren und sofort wären alle Schmerzen weg und sie könnte radschlagend das Krankenhaus verlassen.
Ein paar kurze Sekunden lang waren sie fünf vereint gewesen. Darum ging es doch. Sie brauchten nur einen Kreis zu bilden, dann würde sich ein Tor öffnen und die Alten verschlingen. Sollte es nicht so funktionieren? Aber bevor es geschehen konnte, hatte jemand geschossen. Einer der Wachmänner musste noch am Leben gewesen sein und sich in einer Ecke des Tempels versteckt haben. Wieso hatte er es gerade auf sie abgesehen? Sie hatte die Explosion des Schmerzes in ihrem Kopf gespürt und gedacht, dass es sich so anfühlen musste, wenn man starb. Und schon im Fallen merkte sie, dass sich ihre Kraft abgeschaltet hatte und der Taifun den Tempel angriff. Das war das Letzte, woran sie sich erinnerte. Es tat ihr nicht leid, dass sie getötet worden war. Es tat ihr nur leid, dass sie die anderen im Stich ließ.
Aber sie war nicht tot. Sie war hier wieder aufgewacht. Einer von ihnen musste sie getragen haben. Vielleicht
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