Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
Küche zubereitetet worden war. Dieses Gebäude war mehr als nur ein Gefängnis. In den Räumen oben lebten Menschen. Die beiden Wachen – Affe und Wiesel – kamen jedoch von irgendwo anders her. Das erkannte Pedro an der Asche, die morgens ihre Uniformen bedeckte. Aus irgendeinem Grund war die Luft voller Asche und jeden Morgen lag eine frische Schicht auf ihren Schultern und Ärmeln.
Er konnte Affe und Wiesel austricksen und die Zelle verlassen – das Problem war nur, was er dann machen sollte. Er hatte keine Freunde. Kein Geld. Mit ziemlicher Sicherheit würde er die Sprache nicht sprechen. Und er wusste nicht, wohin er gehen sollte. Das Beste wäre wohl, diese Tür zu finden, die sie in die Abtei geführt hatte, und sie zur Rückkehr nach Peru zu benutzen. Aber er hatte keine Ahnung, wo sie war. Allein hatte er keine Chance, sie zu finden.
Und dann war da noch Scott. Er konnte ihn nicht zurücklassen. Irgendwie musste er den amerikanischen Jungen finden und mitnehmen.
Eines nach dem anderen …
Beim Hofgang hatte Pedro die Wachen aufmerksam beobachtet und ihm war etwas aufgefallen. Während er seine sinnlosen, öden Runden drehte, saß Affe nur da und rauchte gelegentlich eine selbst gedrehte Zigarette. Aber Wiesel hatte ein Hobby. Er schnitzte etwas aus einem Stück Holz. Vielleicht ein Figürchen oder eine Schachfigur, aber das war eigentlich bedeutungslos. Das Schweizer Armeemesser, das er dazu benutzte, interessierte Pedro viel mehr. Als die Stunde vorüber war und sie ihn wieder in die Zelle brachten, steckte Wiesel es in seine rechte Jackentasche. Das Messer war alles, was Pedro brauchte. Es war ein Schlüssel. Und eine Waffe.
Und er wusste, wie er es kriegen würde.
Als sie ihn das nächste Mal hinausbrachten, war er bereit. Sein Finger fühlte sich schon viel besser an. Bei jedem anderen hätte die Heilung einen Monat gedauert, aber Pedro war nicht irgendwer. Er hatte schon in jungen Jahren gelernt, wie man überlebte, und jetzt konzentrierte er seine gesamte Energie darauf. Er stand nackt unter dem kalten Rinnsal, das aus der Dusche kam, und sah zu, wie das Wasser unter dem Schachtdeckel versickerte. Er trocknete sich mit dem schmutzigen Fetzen ab, den sie ihm als Handtuch gegeben hatten. Dann zog er sich wieder an und folgte den beiden Männern auf den Hof.
Wie üblich verbrachte er die nächsten sechzig Minuten damit, unter dem schmutzig schwarzen Himmel zwischen den kahlen Mauern herumzuwandern. Er fragte sich, woher dieser niemals endende Brandgeruch kam. Vielleicht war ein Teil der Stadt abgebrannt – aber das würde doch sicher nicht noch einen Monat später qualmen? Nun, das würde er noch früh genug herausfinden. Aus dem Augenwinkel sah er Wiesel vor sich hin schnitzen; kleine Holzspäne segelten hinab auf seine schwarzen Lederstiefel. Keiner der Männer kam in seine Nähe und Pedro nahm an, dass er ihnen einfach zu sehr stank, nachdem er nun schon etliche Wochen dieselben Sachen trug. Doch heute würden sie seine Nähe ertragen müssen.
Affe sah auf seine Uhr – eine teure Uhr für jemanden, der im Gefängnis arbeitete. Pedro fragte sich, wem sie wohl vorher gehört hatte und was aus ihm geworden war.
„Tempo!“ verkündete er. Immer dasselbe Wort, vollkommen emotionslos ausgesprochen. Tiempo war das spanische Wort für „Zeit“ und dieser Ausdruck bedeutete offenbar dasselbe.
Wiesel steckte seine Schnitzerei in eine Tasche und das Messer in die andere und ging zurück in den Gefängnistrakt. Doch diesmal folgte Pedro ihm nicht.
„Ich will mehr“, rief er. Er sagte es auf Englisch und wiederholte es dann noch einmal in seiner Sprache. „Ich komme nicht rein.“
Affe drehte sich zu ihm um und sah ihn an. Nicht wütend. Nicht einmal überrascht. Nur gelangweilt. Er kam auf Pedro zu und seine Stiefel wirbelten den Staub auf.
Pedro warf ihm Schimpfworte an den Kopf.
Der Mann schlug nur einmal zu, hart und genau über Pedros Herz. Pedro wurde zurückgeschleudert und wäre beinahe gestürzt.
„Okay! Okay! Es tut mir leid!“ Außer Atem und schmerzerfüllt hob Pedro ergeben die Hände und stolperte auf die Tür zu. Doch als er dort ankam, schien er das Gleichgewicht zu verlieren und kippte gegen Wiesel, der grinste, ihn am Kragen packte und hineinstieß.
Pedro hatte, was er wollte. Jedes Straßenkind in Lima wusste, wie man Taschen ausräumte. Amerikanische Touristen hatten ihre Brieftasche meistens in der hinteren Hosentasche. Die Engländer zogen die Innentasche ihrer
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