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Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 6 - Feuerfluch

Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 6 - Feuerfluch

Titel: Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 6 - Feuerfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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um den ich wirklich trauerte. Ich hatte mit ansehen müssen, wie Tom Connor und Mr Christopher und Reverend Johnstone ermordet worden waren, und wusste, dass niemand überlebt hatte, auch nicht Rita und John, die wie Eltern für mich gewesen waren und sich um mich gekümmert hatten, seit ich klein war. Vielleicht war es einfach zu viel Trauer, um damit fertigzuwerden.
    Ich war zu nichts zu gebrauchen, als der Reisende uns an Bord der Lady Jane brachte und losfuhr. Ich glaube, dass ich ungefähr sechs war, als ich zum letzten Mal mit etwas gefahren bin, das einen Motor besaß. Und einen Hubschrauber hatte ich vorher noch nie gesehen. Beides hätte mich eigentlich in Erstaunen versetzen müssen, aber alles, woran ich denken konnte, war … nichts. Ich hatte eigentlich gar keine Gedanken. Wäre mein Leben eine Schnur gewesen, so hatte gerade jemand beide Enden abgeschnitten. Blickte ich zurück, war jetzt nichts mehr da und ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass noch viel vor mir lag. Ein Teil von mir wäre lieber im Dorf gestorben. Das wäre einfacher gewesen.
    Ich wollte Jamie hassen. Schließlich war es nur seine Schuld, dass die Alten zu uns gekommen waren. Aber ich brachte es nicht fertig. Wenn jemand die Schuld hatte, dann Miss Keyland, die sich dem Beschluss des Rates widersetzt und im Wald diesen Anruf gemacht hatte. Gleichzeitig fragte ich mich aber auch, ob wir uns nicht die ganze Zeit etwas vorgemacht hatten. Wir hatten nicht im Dorf gelebt. Wir hatten nur überlebt -und auch das wäre uns nicht viel länger gelungen. Etwas in der Art hatte auch Rita gesagt, als wir uns verabschiedeten. Die Ernten fielen immer dürftiger aus und der Brunnen gab immer weniger Wasser. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte – unsere Zeit lief ab. Im ersten Moment hatte ich es zwar nicht so gesehen, aber vielleicht waren das Auftauchen der Polizei und das abrupte Ende eine Gnade gewesen.
    Ich erinnerte mich kaum noch an die Flucht hinunter zum Fluss, das Herumrutschen auf der stockdunklen Böschung, die unvermittelte Erkenntnis, dass da ein Boot lag und dass ich plötzlich an Bord war. Wahrscheinlich stand ich unter Schock. Ich glaube, Jamie hat die Leinen losgemacht, oder vielleicht war ich es, und im nächsten Augenblick fuhren wir schon los und ich konnte nicht fassen, dass ich unter meinen Füßen das Pochen eines Motors spürte. Wie hatte der Reisende das Boot betriebsbereit halten können, ohne dass es jemand gemerkt hatte? Woher hatte er das Benzin? Ich stand wie angewurzelt in der Dunkelheit, als er mich plötzlich fragte, ob ich das Steuer übernehmen könnte, weil er hineingehen und mit Jamie reden wollte. Ich wäre vor Schreck fast über Bord gegangen. Wie sollte ich ein riesiges Boot wie die Lady Jane steuern, wo ich doch noch nie auf dem Fluss oder in ihm gewesen war, noch nicht einmal nasse Füße bekommen hatte? Ich wollte mich weigern, aber er gab mir keine Chance, und plötzlich stand ich am Steuer und starrte panisch über den Bug hinweg ins Wasser.
    „Das Geheimnis ist, nicht zu viel zu machen“, sagte er. „Nur kleine Bewegungen! Nicht zu stark lenken. Ich bin gleich wieder da.“
    Und dann war er weg und ich war auf mich allein gestellt. Im ersten Moment war ich wütend auf ihn. Wie konnte er so etwas tun? Aber ich kapierte fast sofort, was er sich dabei gedacht hatte. Ich musste mich so sehr konzentrieren, so aufpassen, dass ich nicht an eines der Ufer krachte, dass ich keine Zeit mehr für meine Gefühle hatte. Genau das brauchte ich und fand in dem Vibrieren des Steuers in meinen Händen und dem tiefen Dröhnen des Motors in meinen Ohren einen gewissen Frieden. Irgendwie war es toll, die Kontrolle über all diese Kraft zu haben. Sogar das elektrische Licht, das ein paar Meter vor mir über die Wasseroberfläche huschte, faszinierte mich.
    Ich glaube nicht, dass ich länger als zwanzig Minuten am Steuer war, auch wenn es sich länger anfühlte. Dann tauchte der Reisende wieder auf und sagte, dass ich mich ausruhen sollte. Ich war sicher, dass ich nicht schlafen konnte. Natürlich war ich erschöpft, aber ich fühlte mich nicht müde. Ich wollte widersprechen, aber der Reisende ließ mich nicht zu Wort kommen. „Geh schlafen, Holly“, sagte er. „Du kannst die Koje gegenüber Jamies nehmen. Er war so schnell weg, als hätte man das Licht ausgeknipst. Und du wirst allen Schlaf brauchen, den du kriegen kannst.“
    Wie sich herausstellte, hatte er recht. Mein Kopf berührte kaum das Kissen,

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