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Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 6 - Feuerfluch

Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 6 - Feuerfluch

Titel: Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 6 - Feuerfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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Ausdruck des Entsetzens, ein Auge quoll aus der Höhle wie ein Pingpongball. Der Mann, der nur dreckige Boxershorts trug, war unglaublich fett, mit hängenden Brüsten und einem Wanst, der ihm fast bis zu den Knien hing. Ich bekam den Eindruck, als wären beide verrückt, denn als das Licht sie traf, zuckten sie zusammen und gaben merkwürdig animalische Laute von sich. Auf dem Bahnsteig war auch eine Gruppe Kinder von sieben oder acht Jahren, was bedeutete, dass sie nach der Zerstörung Londons geboren worden waren. Sie klammerten sich aneinander fest wie Affen im Käfig. Ich überlegte, was für ein Leben sie wohl führten. Sie waren nie in die Schule gegangen. Wahrscheinlich hatten sie keine Eltern. Vielleicht konnten sie nicht einmal sprechen.
    „Überlebende“, flüsterte Ryan. „Keine Angst. Die trauen sich nicht in unsere Nähe.“
    Trotzdem beeilten wir uns. Ein paar Minuten an der Luft zu sein, war schön, aber es war sicherer, wieder in den Tunnel zurückzukehren.
    Ich habe nie wirklich begriffen, was in London passiert war. Es war von einer schmutzigen Bombe getroffen worden, aber was genau bedeutete das? War es eine Atombombe oder eine biochemische Waffe oder beides? Und wie viel von der Stadt war unberührt geblieben? Ich wusste nicht, wovon die Menschen, die ich sah, gelebt hatten. Was hatte der Mann gegessen, das ihn so fett werden ließ? Wie bei der Ratte in Highgate war es wahrscheinlich auch hier besser, nicht genau nachzufragen. Auf jeden Fall wurde ich das Gefühl nicht los, dass sich alles vergiftet anfühlte: die Mauern, der Boden, sogar die Luft. Es kam mir vor, als würden wir durch einen riesigen Friedhof laufen und dass es fast ein Sakrileg war, hier und am Leben zu sein. Vermutlich werden Geschichtsforscher und Wissenschaftler irgendwann genau analysieren, was unserem Land an diesem schrecklichen neunten Mai widerfahren ist. Aber ich kann nur beschreiben, was ich sah.
    Wir verließen die U-Bahn-Tunnel schließlich an der Station Moorgate und tatsächlich gab es dort eine von den Rolltreppen, die Miss Keyland uns beschrieben hatte – eine lange silberne Treppe mit merkwürdig gezahnten Kanten. Natürlich funktionierte sie nicht und wir mussten zu Fuß hochgehen. Wir passierten einen weiteren Gang und über eine zweite Treppe kamen wir in die Eingangshalle mit einer Reihe von Sperren, die aber alle offen standen. Amir und Ryan leuchteten uns mit ihren Taschenlampen den Weg und ich erhaschte kurze Blicke auf Fahrkartenautomaten, Schaukästen und einen Kiosk, an dem die Zeitungen und Zeitschriften immer noch in ordentlichen Reihen standen. Hätte ich sie mir genauer angesehen, hätte ich auf jeder einzelnen Zeitung das Datum lesen können: neunter Mai. Der Ausgang war durch ein Metallgitter versperrt, aber Blake hatte einen Schlüssel dafür. Mir wurde klar, dass wir in der Nähe des sicheren Hauses sein mussten, das Miss Ashwood erwähnt hatte, und dass der Nexus diese Route wohl öfter benutzte.
    Ich war mittlerweile ziemlich erledigt. Mir taten die Beine weh und ich wollte nur noch ins Bett. Die Straßen, durch die wir liefen, waren voller Gerümpel. Überall standen Autos – nicht nur am Straßenrand, sondern auch in Verkehrsstaus, die sich nie wieder auflösen würden. Ich entdeckte einen Bus. Einen roten Londoner Bus. Ich nahm auch Läden und Restaurants wahr, doch sie waren kaum mehr als Schatten – und dazu noch leere und zerbrochene Schatten. Der leichte Wind hatte sich gelegt und nirgendwo regte sich etwas. Ich erkannte, dass es nicht die Dunkelheit, sondern eher die Stille war, die mich am meisten bedrückte.
    Endlich erreichten wir das Haus. Es war schmal und hoch, an der massiv aussehenden Haustür stand die Nummer 13 und die Fenster waren mit Brettern vernagelt. Auch hier hatte Blake den Schlüssel und er führte uns in einen Flur, von dem auf jeder Seite eine Tür abging und eine Treppe nach oben. Er schaltete kein Licht ein, falls es denn überhaupt funktionierte. Genau genommen schirmten Amir und Ryan die Lichtkegel ihrer Taschenlampen auch hier noch mit der Hand ab, wie sie es auch schon auf unserem Weg durch die Londoner Straßen getan hatten. Es war eine Mischung aus Erinnerung und Instinkt, die es ihnen erlaubte, sich im Haus zurechtzufinden.
    „Wir gehen schlafen“, sagte Will. Er sah Jamie an. „Du teilst dir ein Zimmer mit Holly. Ich bin mit Graham gleich nebenan. Die anderen bleiben im Erdgeschoss. Wenn es hell wird, werdet ihr euch zurechtfinden. Bleibt aber

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