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Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 6 - Feuerfluch

Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 6 - Feuerfluch

Titel: Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 6 - Feuerfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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nach vierzig Minuten Fahrt eine massive Wand erreichten und anhalten mussten.
    „Von hier aus gehen wir zu Fuß“, sagte der Reisende.
    Wir stiegen aus. Ryan und Amir schalteten ihre Taschenlampen ein und richteten sie auf eine kleine gezackte Öffnung in der Mauer. Wir stiegen hindurch und landeten in einem weiteren Tunnel, der aber ganz anders aussah. Er war viel älter. Die Wände waren rußgeschwärzt, und als die beiden Männer ihre Taschenlampen schwenkten, konnte ich lange, gebündelte Kabel sehen, die in der Ferne verschwanden.
    „Seid vorsichtig“, sagte Ryan. Er war ein freundlicher Typ mit einem vermutlich irischen Akzent. Eigentlich war seine Warnung unnötig, denn ich hatte bereits kapiert, dass wir von nun an jeden Augenblick in Gefahr sein würden. Er senkte den Lichtkegel auf Schienen, die auf dem Metallboden verankert waren. „Es fließt kein Strom mehr, aber man kann hier trotzdem leicht stolpern und sich verletzen. Versucht, dicht zusammenzubleiben.“
    Wir setzten uns in Bewegung. Ich erkannte plötzlich, wo wir waren – und fand es total aufregend. Wir waren in der Londoner U-Bahn. Ich versuchte, mir Scharen von Pendlern vorzustellen, die in der Dunkelheit von der Oxford Street zum Piccadilly Circus und nach Knightsbridge fuhren. Auch wenn das nur bedeutungslose Namen für mich waren. Und doch war ich jetzt hier und folgte einem der Tunnel; genau genommen einem Gewirr aus Tunneln, die mich irgendwann in den Teil der Stadt bringen würden, in den wir wollten. Hier gab es auch Rolltreppen. Ich konnte mich gut erinnern, wie Miss Keyland uns davon erzählt hatte, was mich sofort wieder daran denken ließ, wie sie gestorben war und dass ich genauso enden konnte, wenn ich nicht aufpasste. Dies war kein lustiger Ausflug in eine vergessene Stadt. London war gefährlich.
    Wir liefen etwa fünfzehn Minuten, bis der Tunnel plötzlich in etwas mündete, was früher eine Station gewesen sein musste. Sie hieß Highgate. Der Lichtkegel der Taschenlampe fiel auf den Schriftzug auf einem blauen Balken, umgeben von einem roten Kreis. Wir waren tief unter der Erde. Ein Stück oberhalb von uns war der Bahnsteig und über uns die halbrunde geflieste Tunneldecke. Auf der anderen Seite bedeckten Werbeplakate die Fliesen. Urlaub in Israel. Die Financial Times. Irgendeine Kirchengruppe, die das Geheimnis des Lebens versprach. Das Papier war feucht und wellig. Es fuhr niemand mehr in den Urlaub, Geld war wertlos geworden und die Kirche hatte niemanden retten können, also war das alles Zeitverschwendung gewesen.
    Etwas bewegte sich und wir erstarrten. In Blakes Hand tauchte so schnell eine Pistole auf, als wäre es ein Zaubertrick. Wir sahen uns hektisch um und erwarteten, jemand auf dem Bahnsteig auftauchen zu sehen. Aber es war nur eine Ratte, die über die Schienen rannte. Es war ein dickes fettes Vieh mit räudigem Fell und glänzenden Augen, und als ich die Ratte im Lichtkegel der Taschenlampe davonhuschen sah, fragte ich mich unwillkürlich, was sie wohl fraß. Wahrscheinlich war es besser, es nicht zu wissen. Wir gingen weiter, durch den Bahnhof und am anderen Ende wieder in den Tunnel. Erneut umfing uns Dunkelheit, verschluckte uns förmlich.
    Wir liefen und liefen. Nach der gemütlichen und schnellen Fahrt mit den Elektrokarren war die zweite Hälfte unserer Reise durch London eine Qual. Es gab nichts, das man sich ansehen konnte, denn die Taschenlampen beleuchteten nur die Schienen und die Kabel, die uns auf unserem ganzen Weg begleiteten. Der Rucksack zerrte an meinen Schultern und das letzte Essen und die luxuriöse warme Dusche waren nur noch blasse Erinnerungen. Wir liefen durch drei weitere Stationen: Archway, Tufnell Park, Kentish Town. Ich begann, mir alberne Gedanken über die Namen der Bahnhöfe zu machen. War Archway nach irgendeinem Archie benannt worden? Kentish Town -oder vielleicht Townish Kent? Oder Kowish Tent? Und was würde ich sehen, wenn ich eine der Rolltreppen nach oben nahm? Aber selbst wenn in Teilen von London noch Menschen lebten, bezweifelte ich, dass sie sich über unser Auftauchen freuen würden.
    In Camden Town erwartete uns ein widerlicher Anblick. Auf einem Gleis, das parallel zu dem verlief, dem wir folgten, stand eine U-Bahn – ein riesiges rotes Ding, das in den Tunnel passte wie Zahnpasta in die Tube. Plötzlich traf mich ein grauenhafter Gestank und jemand – ich glaube, es war Amir – gab mir ein Tuch, das ich mir vors Gesicht halten sollte. „Versuch, nicht

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