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Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 6 - Feuerfluch

Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 6 - Feuerfluch

Titel: Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 6 - Feuerfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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entfernt, vielleicht in der Küche, doch da er Italienisch sprach, verstand er kein Wort. Er wollte bereits hinuntergehen, als ihm auffiel, dass die Tür des gegenüberliegenden Zimmers nur angelehnt war. Er erinnerte sich, dass Carla ihn ermahnt hatte, leise zu sein. Wegen ihrer Tochter Maria, die krank war.
    Aus einem Impuls heraus überquerte Pedro den Flur und stieß die andere Tür auf. Er landete in einem Zimmer, das genauso aussah wie das, in dem er geschlafen hatte, nur dass in diesem hier ein Krankenhausbett stand, umgeben von allen möglichen medizinischen Geräten. An einem Ständer hing eine Tropfflasche mit Kochsalzlösung, ein Herz- und Pulsmonitor piepte leise vor sich hin, eine Sauerstoffflasche stand neben einem Tablett voller Pillen und Fläschchen. Inmitten all dieser Dinge lag eine junge Frau auf dem Rücken und atmete so schwach, dass man nur bei genauem Hinsehen feststellen konnte, ob sie überhaupt noch atmete. Sie trug ein weißes Nachthemd und ein silbernes Kreuz um den Hals. Auch gegenüber ihrem Bett hing ein Kreuz an der Wand. Ihre langen Haare waren ordentlich zurückgekämmt und lagen auf dem Kissen wie eine Krone, die ihren Kopf und ihre Schultern umgab. Ihr Gesicht war abgezehrt und bleich. Pedro erkannte sofort, dass sie dem Tod nahe war. Sie war schon sehr lange krank und hatte den Kampf aufgegeben. Jetzt wartete sie geduldig auf das Ende.
    Pedro fand, dass sie zu jung zum Sterben war. Sie konnte nicht viel älter sein als fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig. Wenn man das Alter ihrer Mutter betrachtete, war sie vermutlich ein Nachzügler. Pedro überlegte nicht lange und ging lautlos zu ihr. Am Bett stand ein Stuhl. Er konnte sich vorstellen, wie Carla Rivera dort viele Stunden gesessen hatte. Jetzt setzte er sich auf ihren Platz, streckte die Hand aus und legte sie auf den Bauch der bewusstlosen Frau.
    Das war Pedros Gabe, seine geheime Kraft. Er war ein Heiler. Fast sein ganzes Leben lang hatte er in Lima seine Freunde gesund und am Leben erhalten – die anderen Straßenkinder, die Diebe und Taschendiebe, mit denen er zusammenlebte –, ohne zu wissen, dass er diese Kraft besaß. Erst als Matt in der Nazca-Wüste verletzt worden war, hatte er begriffen, wozu er in der Lage war. Erst da hatte er sich bewusst darum bemüht, Matt das Leben zu retten. Dasselbe würde er jetzt für diese Frau tun, der er nie zuvor begegnet war.
    Es war ein merkwürdiges Gefühl … als würde er eine Art Wärme oder Energie aus sich herausströmen lassen, durch seine Hand und in den Körper der Frau. Vielleicht war es aber auch andersherum. Vielleicht zog er etwas aus ihr heraus. Wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er keine Ahnung hatte, wie es funktionierte. Jedenfalls waren sie beide miteinander verbunden, befanden sich in einer Art Vakuum. Nichts anderes war mehr wichtig. Pedro war sich nicht bewusst, wie viel Zeit verging. Er spürte jetzt nur noch seinen eigenen Arm und seine Hand, die mit der Handfläche nach unten auf dem Bauch der Frau lag, der sich mit jedem Atemzug hob und senkte. Er merkte nicht einmal, dass sein Herz jetzt im selben Takt schlug wie ihres. Sie waren eins geworden. Sie teilten sich die Krankheit der jungen Frau.
    „Pedro!“ Das war Carla Rivera, die von unten nach ihm rief.
    Pedro öffnete die Augen. Er hatte getan, was er konnte, und wusste, dass es ausreichte. Die junge Frau hatte schon jetzt mehr Farbe bekommen. Sie atmete leichter. Pedro wusste nicht, unter welcher Krankheit sie gelitten hatte. Er war kaum zur Schule gegangen und konnte nicht einmal lesen und schreiben. Menschen waren krank oder gesund … mehr wusste er nicht. Die Hauptsache war, dass er die Kranken gesund machen konnte.
    Er verließ den Raum, zog die Tür hinter sich zu und ging nach unten. Carla erwartete ihn bereits und Pedro hatte den Eindruck, dass sie aufgeregt war. Sie lächelte zwar, als sie ihn in seinen neuen Sachen sah, aber die Anspannung wich trotzdem nicht aus ihrem Blick.
    „Wie fühlst du dich, Pedro?“, fragte sie.
    „Viel besser, danke. Und vielen Dank für diese Sachen.“
    „Ich bin losgegangen und habe sie für dich gekauft. Ich wusste aber nicht, ob ich die richtige Größe bekommen habe.“ Sie lächelte ein bisschen nervös. „Silvio ist hier. Ich habe ihm von dir erzählt. Er möchte dich kennenlernen.“
    „Ist gut.“
    Pedro folgte Carla in die Küche, wo ein Mann Mitte dreißig am Tisch saß und einen Becher mit einer heißen Flüssigkeit in den Händen

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