Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 6 - Feuerfluch
hat Krebs“, sagte sie. „In der Bauchspeicheldrüse. Das ist die schlimmste Form. Sie siecht seit Monaten dahin. Wir haben alles versucht, aber der Arzt sagt, dass wir nichts mehr tun können. Zum Glück hat sie kaum Schmerzen …“
„Das ist die Gnade Gottes“, murmelte Silvio.
„… aber ihr bleiben nur noch wenige Wochen. Sie ist viel jünger als Silvio. Erst vierundzwanzig. Sie war die Freude meines Lebens.“ Carla ließ den Kopf hängen.
„Sie wird nicht sterben“, sagte Pedro. „Es geht ihr besser.“
„Das ist nicht wahr.“
„Es ist wahr, Signora. Ich habe sie geheilt. Ich sage Ihnen das nur, damit Sie glauben, was ich sage. Alle Torhüter haben besondere Fähigkeiten. Wenn Sie das Tagebuch gelesen haben, wissen Sie das. Wir können Gedanken lesen. Wir können das Wetter beeinflussen. Aber meine Gabe ist es, Menschen zu heilen, und bevor ich zu Ihnen herunterkam, war ich in Marias Zimmer und habe die Krankheit von ihr genommen. Gehen Sie zu ihr und überzeugen Sie sich selbst.“
Silvio war blass geworden. Er sah Pedro mit kaum verhohlener Wut an. „So etwas darfst du nicht sagen“, fuhr er ihn an.
„Bitte, Signore …“
„Nein!“
„Ich gehe!“ Bevor sie jemand aufhalten konnte, schob Carla Rivera ihren Stuhl zurück, stand auf und verließ die Küche. Pedro beobachtete den Priester. Einen Moment lang kämpfte er mit sich, doch dann erhob er sich ebenfalls und folgte seiner Mutter. Pedro ging ihm nach, hinaus in den Flur und die beiden Treppen hoch. Die Tür des Krankenzimmers war immer noch geschlossen, wie Pedro sie hinterlassen hatte. Carla stand vor der Tür, als müsste sie erst ihre Kräfte sammeln. Doch dann öffnete sie die Tür und trat ein, dicht gefolgt von Silvio und Pedro.
„Maria …!“ Pedro hörte Carla den Namen ihrer Tochter ausrufen.
Maria saß im Bett. Ihre Augen waren offen. Sie sah immer noch schwach und müde aus, aber es bestand kein Zweifel daran, dass die Krankheit ebenso verschwunden war wie ein Schatten, wenn die Sonne aufgeht. Sie war immer noch an all die Schläuche und Messgeräte angeschlossen und betrachtete diese Apparaturen, als wüsste sie nicht, welchem Zweck sie dienten. Als die Tür aufging, schaute sie auf.
„Mama …“, sagte sie.
Carla stürzte zu ihr und nahm sie in die Arme. Tränen strömten ihr über die Wangen. Sie hielt Maria fest und vergrub den Kopf an ihrer Schulter. Dann schaute sie nach hinten zu Pedro. „Es ist ein Wunder!“, stieß sie aus. „Sie hat seit drei Wochen kein Wort mehr gesprochen!“
Silvio war so geschockt, dass er wie angewurzelt stehen blieb. Er war erst am Morgen bei seiner Schwester gewesen, bevor er in die Kirche gegangen war. Er besuchte sie jeden Morgen und verbrachte eine Stunde betend an ihrem Bett. Und jetzt …? Seine Mutter hatte recht. Alle Ärzte hatten dasselbe gesagt. Es gab keine Hoffnung mehr. Also war das, was hier geschehen war, tatsächlich ein Wunder.
„Du musst Pedro zu der Tür bringen“, verlangte Carla. „Du musst tun, was du kannst, um ihm zu helfen.“ Sie hielt immer noch ihre Tochter im Arm und strich ihr mit einer Hand über die Haare.
Silvio nickte. Er war leichenblass. „Natürlich müssen wir ihm helfen. Wir werden heute Abend aufbrechen.“
14
Sie verließen das Haus kurz vor Mitternacht. Carla wartete an der Haustür mit einem Mantel, den sie Pedro mitgeben wollte.
Sie hatte die letzten zwei Stunden bei ihrer Tochter verbracht. Maria hatte ein wenig gesprochen und sogar etwas Suppe gegessen, die erste Nahrung seit Wochen. Jetzt schlief sie – und das Atmen, das vorher so keuchend und schmerzerfüllt geklungen hatte, fiel ihr leicht.
„Wohin willst du gehen?“, fragte Carla Pedro.
Darüber hatte Pedro längst nachgedacht. Er wusste, dass die Türen nur richtig funktionierten, wenn man sein Ziel kannte, bevor man hindurchtrat. „Ich gehe in die Antarktis“, sagte er. „Dort wartet Matt auf mich. Und dort werde ich meine Freunde finden.“
Carla half ihm in den Mantel und nahm ihn dann in die Arme. „Ich werde dich niemals vergessen“, sagte sie. „Und ich werde dir niemals genug für das danken können, was du in diesem Haus getan hast. Du hast mir meine Tochter zurückgegeben!“
„Ich habe gern geholfen“, antwortete Pedro.
„Wir müssen gehen“, drängte Silvio. „Die Wachen werden ohnehin misstrauisch sein. Sie werden wissen wollen, was wir um diese Zeit im Vatikan wollen. Je später wir kommen, desto größer wird ihr Argwohn
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