Horror Factory 05 - - Necroversum: Der Riss
andermal hatte er seinen Lehrer vor der ganzen Klasse ins Stolpern gebracht. Über eine Bananenschale, die nur Jan sehen konnte.
»Spuck’s endlich aus«, wiederholte seine Schwester nun. »Sonst kannst du dir das nächste Mal selbst den Hintern abputzen. Wieso soll ich dich mitnehmen?«
»I-ich weiß auch nicht. Ist n-nur ein Gefühl.«
Sie dachte nach. Der Übergriff im Tunnel hatte ihr einen gehörigen Schrecken eingejagt, und was immer ihr Bruder mit den Typen angestellt hatte, er hatte sie gerettet.
»Also schön, du Kröte, ich nehm dich mit zum Zug. Aber wehe, du nervst.«
Er hätte am liebsten Freudensprünge gemacht oder sie umarmt. Weil er das nicht konnte, würgte er einen Löffel Cornflakes hoch und spuckte einen großen Batzen aus.
13
Syriah
11. Februar, 12:34 Uhr
»Denn in der größten Not angerufen, wird der Herr selbst zu den Menschen sprechen, und seiner Stimme silberheller Klang wird zwischen seine Feinde fahren wie eherne Blitze. Daher merket Euch gut, was ich Euch gesagt habe, auf dass Ihr wisst, was zu tun ist! «
Ich dankte ihm, dass er mich an seinem Wissen hatte teilhaben lassen. Dann fuhr er gen Himmel auf, von wo er gekommen war.
So ist es wahr, denn so habe ich es mit eigenen Augen gesehen.
– Aus den Prophezeiungen des Nicodemus von Brügge, 1444
»Der Papst ist was? « Syriah konnte nicht glauben, was Beppo ihr soeben als brandheiße Neuigkeit verkauft hatte.
Er lachte bitter auf. »Mailand liegt nun mal näher an Rom als euer Köln, Angelina. Schalte einen Nachrichtensender ein, wenn du mir nicht glaubst.«
»Ich glaub dir ja. Zumindest würde es erklären, dass …« In knappen Worten berichtete sie ihm, was ihr widerfahren war.
»Unser Widersacher zögert keinen Moment. Er hat bereits seine Boten geschickt.«
»Beppo?« Seine Stimme hatte sich plötzlich verzerrt angehört, als wäre die Leitung gestört. Oder als würde jemand sie abhören.
Unmöglich.
»Beppo? Wir müssen uns sehen, unbedingt.«
»Ich kann dich kaum verstehen. Hör zu, ich glaube, ich muss Schluss machen, da kommen ein paar Typen …«
»Beppo!« Sie schrie seinen Namen.
»Ich kann nicht … pass auf dich auf … läute die Glocken.« Als sie schon glaubte, er habe die Verbindung unterbrochen, sagte er: »Dieser Priester … trau ihm nicht.«
Seine letzten Worte verwehten im Äther. Das Rauschen in der Leitung wurde von einem Pfeifen und Krächzen begleitet, das Syriah eine Gänsehaut verursachte. Beinahe hätte sie das Handy fallen gelassen.
Dieser Priester … trau ihm nicht.
Als sie noch Partner gewesen waren, hatte Beppo sich vor allem in einem als unschlagbar erwiesen: in seiner Intuition, seiner Fähigkeit, das Haar auf dem tiefsten Grund einer Suppe zu finden. Oder einen falschen Braten zehn Meilen gegen den Wind zu riechen.
Aus den Augenwinkeln suchte sie nach dem Priester, konnte ihn aber nirgends entdecken. Er musste hinter ihr stehen. In ihrem Rücken. Sie hatte während des Gesprächs nicht auf ihn geachtet.
Das rächte sich jetzt bitter.
Sie ahnte den Schlag, bevor er ausgeführt wurde, und warf sich zur Seite. Ihre Schulter prallte hart gegen eine der Kirchenbänke.
Hinter ihr schrie Pater Josephus wütend auf. Sein Hieb ging ins Leere. Die Wucht riss ihn nach vorn und ließ ihn taumeln. Der kupferne Weihwasserkelch flog ihm aus der Hand und rollte scheppernd über den Steinboden.
Beinahe musste Syriah grinsen. Glaubte er wirklich, sie damit außer Gefecht setzen zu können?
Sie rappelte sich auf und ging auf ihn zu. Jetzt erst sah sie das schwarze Licht in seinen Augen. Es war die gleiche Schwärze, die hinter dem Riss im Fenster gelauert hatte. Einen Moment lang war sie irritiert.
Pater Josephus nutzte ihr Zögern. Sein Gesicht war vor Hass verzerrt, als er erneut ausholte und zuschlug.
Syriah lief direkt in seine linke Faust.
Ihr Nasenbein brach, schwarzes Blut spritzte. Doch der Schmerz traf wie immer nur ihre Seele. Bevor ihr Gegner ein zweites Mal zuschlagen konnte, rammte sie ihm ebenfalls die Faust ins Gesicht. Er schrie nicht einmal auf, als sein Kiefer brach. Das, was sich in seinem Körper eingenistet hatte, spürte keinen Schmerz.
»Du billige Hure! Dafür wirst du sterben!« Es war Pater Josephus’ Stimme, aber es waren nicht seine Worte. Und es fiel ihm schwer, mit dem gebrochenen Kiefer zu sprechen. Sein Gesicht wirkte krumm und schief, wie die Karikatur eines Gesichts. Die untere Hälfte schwoll zusehends an.
Syriah brachte einen zweiten Schlag ins
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