Horror Factory - Das Grab: Bedenke, dass du sterben musst! (German Edition)
sein, Martha zu ersetzen. Zumal sie nicht mehr die Jüngste war …
Ich ersticke meinen Schock, nun auch von ihr verlassen worden zu sein, in der gebetsmühlenartigen Aufzählung von Argumenten, die mir darüber hinweghelfen sollen. Und es tatsächlich tun.
Den Rest des Nachmittags verbringe ich mit gelegentlichen Abstechern in den Garten; ansonsten sitze ich vor dem Kamin und starre in die Flammen. Genau genommen schlage ich wohl nur die Zeit tot, bis es dunkel wird. Bis ich erneut mit meiner Laterne hinaus zu Lizzy gehe und dort die wichtigste Stunde meines Tages verbringe.
Dass dieser Besuch anders enden wird als alle davor, kann ich nicht ahnen. Doch von Anfang an merke ich, dass ich matter und erschöpfter bin als an den Abenden davor. Auf der kurzen Strecke hin zur Gruft muss ich mehrere Male innehalten, weil meine Beine mir fast nicht gehorchen wollen. Und auch in meinem Kopf herrscht großes Durcheinander. Ich vermag mich kaum zu konzentrieren. Die Ereignisse des zurückliegenden Tages haben mir mehr zugesetzt, als ich mir eingestehen will. Die Schläge meiner Vertrauten haben gesessen. Alles, was ich an Gedanken heraufbeschwor, um mir das Gegenteil zu versichern, war Selbsttäuschung. Auf den Stufen der Gruft wird mir klar, dass ich Edmond – und auch Martha – nicht so kampflos hätte aufgeben dürfen. Meine Entscheidung, Gott aus meinem Leben zu verbannen, darf nicht darin münden, mir auch die einzigen Menschen abspenstig zu machen, die in allen bisherigen Krisen zu mir hielten. Ich muss mit ihnen reden, muss wenigstens versuchen, ihnen meinen Standpunkt zu vermitteln – in einer Weise, die sie akzeptieren können, auch wenn ihre eigene Überzeugung eine andere ist und bleibt.
Ich weiß nicht, ob das möglich ist, aber während ich die Gruft betrete, beschließe ich, mich gleich morgen darum zu bemühen.
Liz nimmt mich auch an diesem Abend wieder bei sich auf und schenkt mir Labsal durch ihre bloße Nähe. Ich setze mich neben ihren Sarg und lehne mich gegen den Stein, schließe die Augen, gebe mich meiner sehnenden Liebe hin und träume davon, den Deckel des Sarkophags zu entfernen und mich zu Liz zu legen.
Die ersten Male, da ich mir dies träumte, war ich selbst noch erschrocken darüber. Heute nicht. Heute bin ich so müde und schwach, dass ich es einfach geschehen lasse. Und so nimmt es nicht wunder, dass ich irgendwann in den Schlaf falle.
Schlaf, so tief und fest wie der Tod …
*
Als ich erwache, überfällt mich Verwirrung. Noch bevor ich die Augen öffne, merke ich, dass ich in einem Bett liege. Dabei ist das Letzte, woran ich mich erinnere, dass ich in der Gruft bei meiner toten Frau saß und darüber wohl eingenickt bin.
Wie komme ich dann aber hierher? Schlief ich etwa noch, als Meister Cunningham des Morgens kam, um seine Arbeiten fortzusetzen, fand er mich und schleppte mich hierher ins Haus?
Ich muss geschlafen haben wie ein Toter, denke ich. Aber welche andere Erklärung gäbe es?
Ich öffne die Augen und schiebe das Laken beiseite, das mir über den Kopf gerutscht ist. Es ist heller Tag, und von irgendwo aus dem Haus dringen leise Geräusche und Stimmen zu mir.
Mein Herz schlägt höher, als ich Edmonds gefälliges Organ zu erkennen glaube. Schnell schlage ich die Decke zurück und setze meine Füße auf den Boden neben dem Bett.
Sollte tatsächlich Cunningham mich hierhergeschleppt und niedergelegt haben, so hätte er mir wohl wenigstens die Schuhe ausziehen können, bevor er mich zudeckte. Aber soll ich ihn deshalb rügen? Soll ich es mir auch noch mit ihm verscherzen?
Das erneute Aufklingen der Stimme, die Edmond gehören muss, ruft mir ins Gedächtnis, welchen Vorsatz ich beim Betreten der Gruft fasste. Und so eile ich geschwind aus der Tür, den Gang und die Treppe hinunter und auf das Kaminzimmer zu, wo gesprochen wird.
Ich glaube mir das ungefähre Szenario, das ich vorfinden werde, vorstellen zu können: mein guter Edmond ins Gespräch mit Meister Cunningham vertieft, wahrscheinlich seiner Sorge Ausdruck gebend, dass es nun immer weiter bergab gehe mit mir, wenn es schon dazu komme, dass ich in der Gruft bei meinem toten Weibe – seiner Schwester – nächtige.
Was hat ihn hergetrieben? Etwa der gleiche Gedanke, der auch mich quälte, nachdem es gestern zum Zerwürfnis zwischen uns kam? Will auch er es nicht darauf bewenden lassen, sondern einen letzten Rettungsversuch für unsere alte Freundschaft wagen?
Ich merke, wie meine Nervosität meine Schritte, mit
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